Rechnungswesenunterricht am Scheideweg
Unter den Fachvertretern der Wirtschaftsp?dagogik wird seit nunmehr über 20 Jahren leidenschaftlich um die "richtige" Ausrichtung des Rechnungswesenunterrichts gerungen; zuletzt bei einem im Juni 2004 in Bamberg durchgeführten dreit?gigen internationalen Symposium. Insgesamt kamen über 40 renommierte Fachwissenschaftler aus Deutschland, ?sterreich und der Schweiz zusammen, die - basierend auf den Erfahrungen der Vergangenheit und der Gegenwart - über die Zukunft der kaufm?nnischen Qualifizierung und insbesondere des Rechnungswesenunterrichts nachdachten. Eine in Richtung Kostenrechnung und Controlling erweiternde Perspektive des "wirtschaftsinstrumentellen Rechnungswesens", das von G?ttinger Wirtschaftsp?dagogen entwickelt, instrumentiert und an verschiedenen Standorten empirisch geprüft wurde, bestimmt dabei die gegenw?rtige Diskussion. Ein Blick auf die aktuelle fachdidaktische Auseinandersetzung zeigt, dass die Fachdidaktiker seit geraumer Zeit vehement vor allem die so genannte Bilanzmethode kritisieren, die in ihrer algorithmisierenden Verkürzung ?konomischer Prozesse die Verstehensm?glichkeiten ?konomischen Handelns be- bzw. verhindert. Diese Methode aus den 1920er Jahren von Butze & Butze ist heute in Lehrpl?nen, Schulbüchern und auch in der Hochschullehre so dominant, dass sie in weiten Teilen der Schulpraxis als zwingend vorgeschriebene Abfolge gilt und über Alternativen selten nachgedacht wird. Als weitere Kritikpunkte an der herk?mmlichen Qualifizierung werden die einseitige Fokussierung des traditionellen Rechnungswesenunterrichts auf Rechen- und Buchungsalgorithmen sowie die fehlende Praxis- und Wissenschaftsorientierung genannt. Aus unterrichtsmethodischer Sicht konzentriert sich die Kritik in erster Linie auf die lehrerzentrierte Ausgestaltung der Lehr-Lern-Prozesse.
Erschwerend kommt hinzu, dass im Rechnungswesenunterricht die einzelnen Lehreinheiten weitgehend identisch aufgebaut und Methoden nur selten variiert werden. Man kann getrost von Methodenmonismus sprechen. Wo Lehrer das Fach aufgrund seiner Klarheit und Strukturiertheit gerne unterrichten, empfinden Lernende aller Ausbildungsinstitutionen den Unterricht oftmals als langweilig, trocken und praxisfern. In 球探足球比分 zur g?ngigen Schulpraxis hat Frank Achtenhagen sehr frühzeitig postuliert, dass der Rechnungswesenunterricht grundlegend reformiert und modifiziert werden muss, wenn er einen Beitrag zur Entwicklung ?konomischer Kompetenz leisten soll. Den Weg, den die G?ttinger Wirtschaftsp?dagogen zur Erreichung dieser Lernziele einschlugen und der unter der Bezeichnung "wirtschaftsinstrumentelles Rechnungswesen" bekannt wurde, hat national und international viel Anerkennung erfahren. Mit der Konzeption des wirtschaftsinstrumentellen Rechnungswesens haben Frank Achtenhagen und seine ehemaligen (Tade Tramm, Hamburg) bzw. noch heute in G?ttingen wirkenden Mitarbeiter (Peter Prei?) eine alternative fachdidaktische Konzeption entwickelt, in der die Bilanz als formales Referenzmodell durch ein inhaltliches Referenzmodell ersetzt wird. Zentrales Element des Unterrichts ist die ?konomische Interpretation betrieblicher Leistungsprozesse anhand eines allgemeinen Unternehmensmodells, mit dessen Hilfe die Marktbeziehungen des Unternehmens (Real- und Nominalgüterstr?me), der interne Leistungsprozess und die Best?nde abgebildet werden.
Der vorliegende Sammelband greift die aktuelle Diskussion um die Weiterentwicklung des wirtschaftsinstrumentellen Rechnungswesens auf und knüpft an die von Frank Achtenhagen (1990) sowie Peter Prei? & Tade Tramm (1996) herausgegebenen Sammelb?nde an. Ein Schwerpunkt des Bandes ist nahezu zwangsl?ufig die Auseinandersetzung mit der Konzeption des wirtschaftsinstrumentellen Rechnungswesens. Aber auch die Diskussion historischer Leitlinien sowie die Er?rterung der Bedeutung von Prüfungsprozessen finden ihren Niederschlag. Der Sammelband dokumentiert somit den derzeitigen Forschungsstand zur Fachdidaktik des Rechnungswesens. Aus dem Inhalt: Mit Beitr?gen von: Jürgen Seifried und Detlef Sembill; Holger Reinisch; Wilfried Schneider; Peter Prei?; Tade Tramm; Jürgen Seifried, Karsten D. Wolf, Christina Klüber und Detlef Sembill; Karsten D. Wolf, Jürgen Seifried und Helge St?dtler; Lothar Reetz Zielgruppe: Fachdidaktiker sowie Lehrerinnen und Lehrer an kaufm?nnischen Bildungseinrichtungen; Dozenten und Studierende der Wirtschaftsp?dagogik ?ber die Autoren: Prof. Dr. Detlef Sembill ist Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsp?dagogik der Universit?t Bamberg. Dr. Jürgen Seifried ist Wissenschaftlicher Assistent an diesem Lehrstuhl.
Detlef Sembill / Jürgen Seifried (Hrsg.) (2005): Rechnungswesenunterricht am Scheideweg. Lehren, Lernen und prüfen. Deutscher Universit?ts Verlag, Wiesbaden. 49,90 EUR, ISBN 3-8244-0764-7