Das Gestein von Kathedralen durchschauen
Die Objekte sind bis zu tausend Jahre alt und an ihnen nagt gleicherma?en der Zahn der Zeit: die Kathedralen von K?ln, Pisa, Gent, Vitoria-Gasteiz und Wien. Und auch das erst zehn Jahre alte Osloer Opernhaus ben?tigt bereits denkmalpflegerische Hilfe. Diese Bauwerke haben eines gemeinsam: Forschende behandelten Teile ihres Gesteins im Rahmen des Projektes Nano-Cathedral mit Nanomaterialien. Diese Partikel sind 1000 Mal dünner als der Durchmesser eines menschlichen Haares, ihrem Einsatz wird aber eine rasante und zukunftstr?chtige Entwicklung nachgesagt. Doch bringen sie auch tats?chlich den erhofften Nutzen? Um das nachzuweisen, entwickelte Dr. Rainer Drewello, Professor für Restaurierungswissenschaft in der Baudenkmalpflege an der Universit?t Bamberg, gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Max Rahrig das Opto-technical Monitoring, das verschiedene Bildgebungsverfahren kombiniert.
Ziel des international und interdisziplin?r ausgerichteten und mit 6,3 Millionen Euro gef?rderten EU-Projektes Nano-Cathedral war es, ma?geschneiderte L?sungen für die Konservierung von Naturstein auf Nanoebene zu entwickeln. Damit wollen die Forschenden einen entscheidenden Beitrag zum Erhalt des kulturellen Erbes in Europa leisten. Das Projekt, an dem Drewello und Rahrig gemeinsam mit 18 Partnern aus sechs europ?ischen L?ndern arbeiteten, wurde im Jahr 2018 nach dreij?hriger Laufzeit abgeschlossen.
Neben Fertigungsmitteln, die Stabilit?t in die Tiefen des Gesteins bringen, entwickelten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Partner-Universit?ten auch Hydrophobierungsmittel, die Oberfl?chen versiegeln und, dem Lotuseffekt gleich, Regenwasser abperlen lassen. Diese testeten sie zun?chst unter Laborbedingungen, sp?ter an den Originaloberfl?chen der Denkm?ler selbst. Die ?berwachung, welche die Wirkung der aufgetragenen Nanomaterialien dokumentiert und die für eine Qualit?tskontrolle unumg?nglich ist, wurde mit einem speziell für das Projekt entwickelten Verfahren von Rainer Drewello und Max Rahrig durchgeführt. ?Es gibt zwar bereits Bildgebungsverfahren in der Denkmalpflege“, erkl?rt Drewello, ?aber es bestand bislang kaum eine M?glichkeit, neue Materialien zur Konservierung von Gestein zu testen, ohne zumindest Teile des Gesteins durch die Entnahme von Proben zu zerst?ren.“ Mit ihrer neuen, zerst?rungsfreien Lichttechnologie, Opto-technical Monitoring genannt, legten sie die Dokumentationsbasis für das Projekt.
Das Verfahren Opto-technical Monitoring
Die Methode des Opto-technical Monitoring basiert auf bildgebenden Verfahren und auf einer Verknüpfung von hochaufl?senden 3D-Verfahren, der VIS-Farbfotografie, der Ultraviolett-Fotografie und der Infrarot-Fotografie. Diese verschiedenen Techniken erg?nzen sich gegenseitig und erm?glichen in Kombination eine Rundumsicht auf den Zustand des Originalgesteins vor und nach der Behandlung durch die Nanomaterialien.
Denn w?hrend hochaufl?sende 3D-Aufnahmen der Oberfl?chenmessung dienen und den Zustand zum Zeitpunkt der Messung mit einer Genauigkeit von 0,3 Millimetern festhalten, weist die VIS-Farbfotografie auf Farbunterschiede an den Oberfl?chen hin. Bei der UV-Fluoreszenzfotografie und der Infrarot-Fotografie werden anorganische und organische Fremdmaterialien auf den Oberfl?chen sichtbar, also konservierende ?berzüge oder auch biologischer Bewuchs wie Bakterienfilme, Flechten oder Moose. Alle vier Techniken zusammen erm?glichen somit ein Gesamtbild, das es in dieser Form in der Denkmalpflege noch nicht gab. Durch das ?bereinanderlegen von Aufnahmen, die zu verschiedenen Zeitpunkten gemacht wurden, werden Vergleiche m?glich und Ver?nderungen am Gestein sichtbar.
Monitoring – Dokumentation und Qualit?tskontrolle
Im Gegensatz zu den Standardmethoden wie beispielsweise Bohrungen, die nur kleine Bereiche abdecken k?nnen und noch dazu zu Zerst?rungen am Originalgestein führen, kann das in Bamberg entwickelte Opto-technical Monitoring fl?chendeckende Aussagen über eine Testfl?che von circa zwei Quadratmetern machen – ganz zerst?rungs- und berührungsfrei.
Zun?chst wurde mit dem Verfahren der Ist-Zustand der Originalgesteine in den berühmten Kathedralen und dem Osloer Opernhaus gemessen und die Oberfl?che dokumentiert. Nach einem Jahr führten Drewello und Rahrig erneut Messungen durch – und zwar kurz nachdem im Projekt entwickelte Nanomaterialien auf das Gestein aufgetragen wurden. Der Vergleich der beiden Messkampagnen verdeutlicht die Schwachstellen des Gesteins, die fortschreitende Verwitterung und den Verlust historisch bedeutender Oberfl?chen. Zudem lassen sich die aufgetragenen neuen Materialien durch die Kombination der verwendeten Messtechniken sichtbar machen und dauerhaft überwachen. Die Früchte der Arbeit, also die langfristigen Auswirkungen der neu entwickelten Materialien und deren Witterungsbest?ndigkeit, werden aber in G?nze erst in einigen Jahren sichtbar werden. Hierzu werden die Bamberger Forscher in den n?chsten zwei, fünf und acht Jahren weitere Messungen vornehmen.
Herausforderung und Faszination
An so vielen geschichtstr?chtigen Orten in Europa zu forschen, war für das Wissenschaftsteam aus Bamberg sehr reizvoll. ?Für uns war es ein besonderes Erlebnis, an solch bedeutenden Kathedralen wie denen von Pisa, K?ln und Wien zu arbeiten und einen Beitrag für deren Erhalt leisten zu dürfen“, fasst Max Rahrig die Faszination des Nano-Cathedral Projektes zusammen. Das Team fuhr mit einem Auto voll Technik durch Europa, um konstante und besonders sorgf?ltige Arbeit in Baustellenumgebung zu leisten. Die Aufnahmen fanden vorwiegend in der Nacht statt, damit konstante Lichtverh?ltnisse und damit reproduzierbare Ergebnisse erzielt werden konnten. ?Besonders spannend war für mich auch die interdisziplin?re Zusammenarbeit“, beurteilt Drewello das Projekt. ?Da kamen Restauratoren, Architekten, Konservierungswissenschaftler, Kunsthistoriker, aber auch Chemiker, Materialwissenschaftler und Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler zusammen, um gemeinsam zu arbeiten. Bei dieser enormen F?chervielfalt muss man erstmal eine gemeinsame Sprache finden.“
Die entwickelten Nanomaterialien sollen nun zur Marktreife gebracht werden. Das Monitoring als Qualit?tskontrolle wird mit den erneuten Messungen, die mit den bereits erbrachten verglichen werden, Erkenntnisse über den langfristigen Nutzen der Materialien liefern. Auch die Dombauhütten haben Interesse an der Fortführung der Arbeit und sollen bef?higt werden, selbst Messungen vorzunehmen. Und nicht zuletzt wird die Methode in die Welt hinausgetragen: Auch in Sri Lanka arbeitet Rahrig zurzeit an Jahrhunderte alten Wandmalereien mit einer ?hnlichen Methode.