"Nur gemeinsam k?nnen wir erfolgreich sein"
Seit 1. Oktober 2020 ist Kai Fischbach Pr?sident der Universit?t Bamberg. Im Interview spricht er über seine ersten Erfahrungen in dieser neuen Funktion, über bislang Erreichtes und von seinem Herzensprojekt.
1. Ein Jahr im Amt, lieber Professor Dr. Fischbach – haben Sie Ihre Entscheidung, Pr?sident werden zu wollen, schon bereut?
Kai Fischbach: Das werde ich ?fter gefragt und es erstaunt mich selbst, mich jedes Mal darauf sagen zu h?ren: Nein, tats?chlich nicht. Und zwar deshalb nicht, weil ich an so vielen Stellen merke, was für ein guter, kollegialer Geist an unserer Uni herrscht. Ich darf wirklich fast jeden Tag erleben, wie Menschen an einem Strang ziehen, um die Universit?t gemeinsam voranzubringen und um im Gro?en wie im Kleinen etwas zu bewegen. Unter diesen Bedingungen zu arbeiten, macht mir sehr viel Spa?.
2. Mal von den Unw?gbarkeiten der Corona-Pandemie abgesehen: Ist das erste Jahr so verlaufen, wie Sie es sich vorgestellt haben? Oder kam doch alles wie so oft ganz anders?
Im Wesentlichen lief es abseits der Pandemie wirklich so, wie ich dachte. Ich bin ja schon fast zehn Jahre an der Uni Bamberg und habe hier in einigen Gremien mitgewirkt, unter anderem als Senatsvorsitzender und Dekan der Fakult?t WIAI. In solchen Positionen sind die Schnittstellen mit der Universit?tsleitung vielf?ltig, sodass ich ihre grundlegenden T?tigkeitsbereiche immer besser kennenlernen konnte. Auch die anstehenden Aufgaben wie zum Beispiel die Gestaltung des Transformationsprozesses, der durch die Hightech Agenda Bayern (HTA) nochmal deutlich Fahrt aufgenommen hat, waren mir bewusst.
3. Wie sieht Ihr normaler Tagesablauf aus? Hat ein Pr?sident so etwas überhaupt?
Tja, gute Frage. Ich glaube, die einzige Konstante ist, dass ich meinen Sohn t?glich zur Schule bringe. Abgesehen davon ist es wirklich schwierig zu sagen, weil ich Normalit?t im Sinne von Routine bislang noch nicht bewusst erfahren habe. Natürlich wiederholen sich T?tigkeiten wie Gremienarbeit oder Meetings. Für bestimmte Aufgaben habe ich zudem bevorzugte Zeitfenster. Mails schreibe ich eigentlich immer abends ab 21 Uhr und Strategisches überlege ich gerne bei der fast t?glichen Autofahrt von Nürnberg nach Bamberg oder am Wochenende beim Joggen. Aber inhaltlich habe ich mit so vielen unterschiedlichen Menschen, Bereichen und Institutionen zu tun, da verl?uft jeder Tag anders.
4. ?ber was haben Sie sich im vergangenen Amtsjahr besonders gefreut?
Als Wissenschaftler habe ich gerne interdisziplin?r gearbeitet und ich wei? noch, wie erstaunt ich war, als ich in Bamberg anfing und feststellte, dass ich mit dieser Arbeitsweise überall offene Türen einrannte. Die Zusammenarbeit über F?cher- und Fakult?tsgrenzen hinweg habe ich an der Uni Bamberg deutlich unkomplizierter erlebt, als bei anderen Institutionen, die ich w?hrend meiner wissenschaftlichen Laufbahn kennenlernen durfte. Es freut mich sehr, dass sich dieser Eindruck aus der nun ganz anderen Perspektive als Pr?sident erneut best?tigt hat. Jetzt m?chte ich auch in dieser Funktion dazu beitragen, dieses Alleinstellungsmerkmal weiter auszubauen.
5. Wie sieht Ihr pers?nliches Fazit des ersten Amtsjahres aus?
Ich habe bewusst versucht, mir im ersten Amtsjahr keine allzu gro?en Projekte vorzunehmen, um mich gründlich einarbeiten zu k?nnen und um die Universit?t in ihrer Gesamtheit noch besser kennenzulernen und zu verstehen. Das lie?en die Corona-Pandemie, unser Professurenzuwachs, die Novellierung des Hochschulinnovationsgesetzes und viele weitere Themen allerdings nur bedingt zu. Die mussten natürlich angepackt werden. Allein 38 Berufungsverhandlungen habe ich seit Amtsantritt geführt. Das ist für eine Universit?t unserer Gr??e enorm viel, zumal über Berufungen wichtige Entscheidungen für die Zukunft unseres Standorts getroffen werden. Dennoch, und ich glaube, da spreche ich auch für die Kanzlerin, die neue Vizepr?sidentin und die beiden neuen Vizepr?sidenten, haben wir in diesem ersten Amtsjahr eine sehr gute Basis geschaffen, um die zahlreichen anstehenden Projekte im Verbund mit allen Beteiligten gut meistern zu k?nnen. Wir haben uns intensiv mit den Vertreterinnen und Vertretern aller Statusgruppen ausgetauscht, mit ihnen zusammen tragf?hige Kommunikationsstrukturen und ein gegenseitiges Vertrauensverh?ltnis aufgebaut. Insbesondere die Zusammenarbeit mit den Dekanen und den Fakult?ten ist ?u?erst konstruktiv. Dieses gute Zusammenspiel mit den Kolleginnen und Kollegen sowohl aus dem wissenschaftlichen Bereich als auch aus der Verwaltung ist aus meiner Sicht Gold wert. Wir k?nnen nur gemeinsam erfolgreich sein.
6. Welche ihrer Ziele hat die neue Universit?tsleitung bereits erreicht?
Mehr als ich zu hoffen gewagt hatte. Ich gebe Ihnen einige Beispiele: Wir haben ein klares Bild unserer Forschungsexzellenz gewonnen und einen Fahrplan für unsere Bewerbung in der n?chsten Runde der Exzellenzstrategie im Jahr 2026 erstellt. Wir haben unsere Aktivit?ten im Bereich Diversit?t verst?rkt, zuletzt mit der Einrichtung einer Antidiskriminierungsstelle. Dank unseres Erfolgs beim Bund-L?nder-Programm ?Innovation in der Hochschullehre“ werden wir in den n?chsten drei Jahren rund 4,1 Millionen Euro in die strategische und digitale Weiterentwicklung der Hochschullehre investieren – an der Universit?t Bamberg und bayernweit. Bislang konnten wir 11 von 22 neu Professuren an Wissenschaftlerinnen vergeben und damit unsere Ziele in diesem Bereich der Gleichstellung konsequent weiterverfolgen.
7. Was sind vor dem Hintergrund des bisher Erreichten die n?chsten Schritte?
Unser gro?er Erfolg in der HTA, der uns insgesamt bis zu 30 neue Professuren beschert, ist eine einmalige Chance zur Profilsch?rfung. Ich sehe es als wichtigste Aufgabe meiner Amtszeit an, diese Chance zu nutzen und den dafür n?tigen Transformationsprozess gemeinsam mit allen Beteiligten zum Wohle der Universit?t zu gestalten. Wir haben jetzt die M?glichkeit, Alleinstellungsmerkmale wie die Interdisziplinarit?t weiter auszubauen und uns mit Blick auf die Exzellenzstrategie optimal aufzustellen. Das bedeutet zum Beispiel, dass wir durch gezielte Berufungspolitik die informatischen und nicht-informatischen F?cher weiter aufeinander ausrichten und unseren Forschungsschwerpunkt Empirische Sozialforschung zu Bildung und Arbeit weiter st?rken. Zudem müssen wir Ressourcen bereitstellen, beispielsweise, um einen Sonderforschungsbereich einwerben zu k?nnen.
8. Sie haben in Ihrer Rede zum Dies academicus wieder einmal betont, wie wichtig Ihnen das Leitprinzip des gleichberechtigten und respektvollen Miteinanders der Fakult?ten ist. Wie kann dieses Prinzip leben angesichts des sicherlich auch schmerzhaften Transformationsprozesses?
Natürlich impliziert Profilsch?rfung, dass wir einiges ver?ndern müssen. Es wird in diesem Prozess allerdings auch verl?ssliche Konstanten geben. Für mich ist v?llig klar: Alle Fakult?ten sind und bleiben gleichwertig. Es wird keine Profilsch?rfung zu Lasten einzelner Fakult?ten geben. Allerdings müssen wir uns gut überlegen, wie wir uns innerhalb der Fakult?ten so aufstellen k?nnen, dass wir unsere Ziele erreichen. Ich nehme hier gro?es Engagement wahr und bin sicher, dass uns die Entwicklungsperspektiven, die derzeit in den Fakult?ten entstehen, dazu viele Ideen und Impulse liefern werden.
9. Wie geht es eigentlich Ihrem Herzensprojekt, dem Haus der Wissenschaft?
Ja, das ist in der Tat ein Herzensprojekt, das durch die Novellierung des Hochschulinnovationsgesetzes noch einmal Auftrieb bekommen hat – wie überhaupt der gesamte Transferbereich, für den wir gerade ein Leitbild entwickeln. Für mich ist das Haus der Wissenschaft ein Ort der Begegnung. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Bürgerinnen und Bürger, Gro? und Klein finden hier zusammen und tauschen sich aus über die grundlegenden Fragen unserer Zeit. Ob es dabei tats?chlich eines realen Geb?udes bedarf oder ob wir unter diesen Begriff mehr ?ffentlichkeitswirksame Veranstaltungen wie beispielsweise die Hegelwoche veranstalten sollten, kl?rt derzeit eine Arbeitsgruppe. Interesse und Unterstützung haben die Stadt Bamberg und einige weitere Institutionen signalisiert, mit denen ich zu diesem Projekt bereits im Gespr?ch bin. Wir sind also auf einem guten Weg.
10. Ein intensives erstes Amtsjahr liegt hinter Ihnen, ein sicherlich nicht weniger intensives zweites Amtsjahr vor Ihnen. Was wünschen Sie sich dafür?
Vor allem Mut und eine glückliche Hand bei den anstehenden Entscheidungen, und die notwendige Weisheit, den Rat anderer einzuholen.
Vielen Dank für das Gespr?ch!
Das Gespr?ch führte Tanja Eisenach.