Mehr als Bratwurst und Butterbrot
Von der Bratwurst, dem Kirchenturm, der Energiewende bis hin zum Butterbrot - so beschrieb Bundeskanzlerin Angela Merkel ?Ihr Deutschland von A bis Z“. In der ?Bild für alle“ z?hlte sie vor einigen Tagen auf, was die deutsche Identit?t für sie ausmacht. Auch Integration und Flüchtlingshilfe standen auf der Liste. Was es bedeutet, Deutsche oder Deutscher zu sein, fragte sich auch die amerikanische Philosophin Prof. Dr. Susan Neiman am zweiten Abend der 28. Hegelwoche am 28. Juni 2017 in der AULA der Universit?t.
Zum Auftakt der diesj?hrigen Hegelwoche hatte sich zun?chst der Psychologe und Verhaltensforscher Prof. Dr. Norbert Bischof mit der Frage nach dem Ich besch?ftigt. An seine ?berlegungen knüpfte der zweite Abend der Hegelwoche an. Denn Identit?t betreffe nicht nur den einzelnen Menschen und damit die individuelle Ebene. ?Identit?t ist immer auch sozial und kulturell eingebettet“, erl?uterte Prof. Dr. Christian Illies, Inhaber des Lehrstuhls für Philosophie II der Universit?t Bamberg und Organisator der Hegelwoche zu Beginn des Abends.
Solidarit?t statt Toleranz
Um die nationale Facette der Identit?t zu erl?utern, warf Neiman als Amerikanerin, die schon viele Jahrzehnte in Berlin lebt, einen Blick von ?Innen-Au?en“ auf das ?Deutsch-Sein“. Die Philosophin vom Potsdamer Einstein Forum widmete sich unter anderem Deutschland als Einwanderungsland. Denn in der Au?enwahrnehmung Deutschlands würden Deutsche zurzeit als besonders tolerant wahrgenommen. Den Begriff der Toleranz lehnte die Philosophin allerdings ab: ?Toleranz bedeutet ?aushalten‘. Wir halten viele unangenehme Zust?nde aus: Kopfschmerzen, Gestank oder L?rm. Toleranz konnotiert immer auch Hilflosigkeit.“
Statt des Konzepts der Toleranz befürwortete Neiman das der Solidarit?t, das derzeit pr?gend für die pluralistische, deutsche Gesellschaft sei. Und das nicht nur aufgrund der Aufnahme vieler Geflüchteter. ?Das Engagement für Geflüchtete ist Ausdruck einer Haltung, die ich hierzulande zunehmend beobachte, n?mlich dass Fremde keine Bedrohung, sondern eine Bereicherung sind“, sagte Neiman. Und gerade daher sei die Frage nach der deutschen Identit?t so kompliziert. ?Denn wenn deutsche Eltern oder das Geboren-Sein innerhalb der Grenzen Deutschlands nicht mehr zwingend für das ?Deutsch-Sein‘ sind und die Gesellschaft gleichzeitig immer pluralistischer und bunter wird, was ist dann überhaupt deutsch?“ Diese ?ffnung zum Fremden hin sei auch als Folge des Umgangs mit der eigenen Geschichte zu verstehen. Und so zog die amerikanische Philosophin ihr Fazit mit Blick auf die Vergangenheit: ?‘Deutsch-Sein‘ im 21. Jahrhundert bedeutet einen kritischen, wachsamen Umgang mit der eigenen Geschichte zu haben.“
Am Donnerstag, den 29. Juni 2017, wird sich Prof. Dr. Nicholas Boyle von der Universit?t Cambridge zum Abschluss der Hegelwoche mit der europ?ischen Identit?t besch?ftigten. Der britische Germanist und Philosoph ist bekannt für seine Beitr?ge zu politischen Diskussionen der Gegenwart. Am letzten Vortragsabend wird er sich unter dem Titel ?Wir Europ?er“ der europ?ischen Identit?t und deren Geschichte widmen.