?Exzellente Forschung sollte sich am Nutzen für alle Menschen orientieren."
Text: Hannah Fischer
Aus: uni.blog 09/2022
"GENIAL forschen“ – so lautet die Abkürzung für ein neues, durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gef?rdertes Projekt. ?GENIAL“ steht dabei für ?GEschlechterpoteNzIALe nutzen – Gesellschaft ver?ndern“. Ziel ist es, geschlechtersensible, bedarfsorientierte Forschung zu st?rken und an der Universit?t Bamberg zu etablieren. Prof. Dr. Astrid Schütz, Inhaberin des Lehrstuhls für Pers?nlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik sowie Frauenbeauftragte der Universit?t, verr?t im Interview mehr zum Projekt, wie sich alle Forschenden der Universit?t einbringen k?nnen und warum Forschung die Variable Geschlecht überhaupt berücksichtigen sollte.
Liebe Frau Schütz, wieso ist geschlechtersensible Forschung überhaupt wichtig?
Astrid Schütz: Ein Ziel von Wissenschaft ist es, die Lebensqualit?t von Menschen zu verbessern. Exzellente und innovative Forschung sollte sich daher am Nutzen für alle Menschen orientieren. Es gibt zahlreiche Beispiele, die zeigen, was geschlechtersensible Forschung bewirken kann: In der Medizin führte sie etwa zu neuen Erkenntnissen bezüglich der Diagnose und Therapie von Herzinfarkten. In der Mobilit?tsforschung zeigt sich, dass St?dte und Infrastrukturen für alle sicherer werden, wenn die Planung geschlechtersensibel erfolgt. In der Klimaforschung ist eine differenzierte Analyse notwendig, um Anpassungsstrategien zu entwickeln, weil Menschen auch geschlechterabh?ngig unterschiedlich vom Klimawandel betroffen sind.
Was bedeutet Geschlechtersensibilit?t eigentlich?
Geschlechtersensibilit?t allgemein bedeutet, dass das Verst?ndnis für und die Berücksichtigung von Faktoren vorliegen, die zu einer geschlechtstypischen Ausgrenzung und Diskriminierung in unterschiedlichsten Bereichen des Lebens führen k?nnen. Die Diskriminierung muss nicht bewusst erfolgen, sondern kann, beispielsweise im Fall der Forschung, auch aus der Nicht-Berücksichtigung der Geschlechterkategorie resultieren. Die Folge sind Datenlücken, auch bezeichnet als ?Gender Data Gap“. Geschlechtersensibles Forschen hilft, den bereits bestehenden Gender Data Gap zu schlie?en.
Momentan scheint das Thema pr?senter denn je. Warum ist das so?
Bereits seit einiger Zeit betonen Expert*innen den Bedarf an geschlechtersensibler Forschung. Bisherige Forschungsarbeiten berücksichtigen die Geschlechterdimension aber oft nicht ausreichend. Einige Forschungsarbeiten zeigen, dass wichtige Aspekte übersehen werden, wenn man nur ein Geschlecht berücksichtigt – etwa, wenn Medikamente vor allem an M?nnern getestet werden. Selbst an unserer Universit?t ist bei der psychischen Gef?hrdungsbeurteilung Geschlecht keine Variable, was für differenzierte Beachtung aber wichtig w?re. Aber wir sind auf einem guten Weg. Auch au?erhalb der Wissenschaft wird das Thema jetzt zunehmend aufgegriffen. Ein Augen?ffner für viele war zum Beispiel das Buch ?Unsichtbare Frauen“ von Caroline Criado-Perez, welches sich mit genau der Thematik der Daten- und Wissenslücke besch?ftigt.
Welchen Beitrag kann die Universit?t Bamberg leisten und wie ist sie bisher aufgestellt?
Die Universit?t Bamberg bekennt sich klar zu Diversit?t und tritt für Chancengerechtigkeit ein. Gleichstellung ist dabei eine Querschnittsaufgabe, die durch die Vizepr?sidentin für Diversit?t und Internationales koordiniert und von der gesamten Universit?tsleitung unterstützt wird. So ist der Vizepr?sident für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs stark engagiert, die Bamberger Forschung diverser und geschlechtersensibel aufzustellen. Die ausgepr?gte Interdisziplinarit?t der Universit?t ist dabei eine St?rke. Im 2019 verabschiedeten Gleichstellungskonzept wurde auch die F?rderung geschlechterrelevanter Inhalte in der Forschung betont. Etliche Forschende an der Universit?t Bamberg sind au?erdem bereits Expert*innen für geschlechtersensible Forschung und k?nnen ihr Wissen und ihre Erfahrungen zukünftig im Netzwerk ?Geschlechtersensible Forschung“ weitergeben, welches sich gerade im Aufbau befindet.
Wie fügt sich das Projekt GENIAL ein?
Das Projekt wurde gemeinsam mit dem Frauenbüro eingeworben und wird vom BMBF mit 50.000 Euro bis Februar 2023 gef?rdert. Ziel ist es, geschlechtersensible und bedarfsorientierte Forschung zu st?rken und an der Universit?t zu etablieren. Künftige Forschung soll insofern in gr??tm?glichem Umfang geschlechtersensibel sein. Nur Forschung, die entsprechend aufgestellt ist und Diversit?tsmerkmale berücksichtigt, kann auch international wettbewerbsf?hig bleiben.
K?nnen Sie noch genauer werden?
Zur strukturellen Verankerung geh?rt etwa die nachhaltige Sensibilisierung der Forschenden für die Relevanz der Geschlechterdimension, aber auch die Bündelung der Genderexpertise. Darüber hinaus soll die Geschlechterdimension im Beratungsprozess bei der Drittmittelakquise verankert werden. Bei der Einwerbung kompetitiver Drittmittel von EU und Deutscher Forschungsgemeinschaft (DFG) sind Diversit?t und Geschlechtersensibilit?t inzwischen wichtige Beurteilungskriterien. Au?erdem ist der Transfer von Forschungserkenntnissen, die allen Menschen nützen, ein wichtiger Eckpfeiler. Aktuell liegt der Fokus auf M?nnern und Frauen. Perspektivisch wollen wir aber weitere Vielfaltsmerkmale und deren Zusammenspiel ansehen. Dazu z?hlen zum Beispiel Migration oder Menschen aus Familien mit und ohne akademischen Hintergrund.
Wie ist das Projekt angelaufen und welche konkreten Ma?nahmen werden umgesetzt?
Die bisherige Resonanz ist sehr positiv. An einem Workshop zur Bestandsaufnahme herrschte sogar in den Schulferien im August reges Interesse. Er widmete sich der Frage, wie geschlechtersensible Forschung an der Universit?t Bamberg sichtbarer gemacht, gebündelt und nachhaltig verankert werden kann. In Diskussionsrunden wurden erste Ideen für gemeinsame Forschung unter Berücksichtigung der Kategorien Geschlecht und Gender entwickelt. Einen weiteren Workshop hatten wir bereits im Rahmen des Diversity-Tags im Mai durchgeführt, bei dem Wissenschaftler*innen Informationen zur Geschlechtersensibilit?t und deren Bedeutung für die Drittmitteleinwerbung erhielten. Darüber hinaus wurden Empfehlungen zur Pr?sentation der Forschung bezüglich der Variablen Geschlecht und Gender im eigenen 球探足球比分 ausgegeben. Auch für das geplante Netzwerk zu geschlechtersensibler Forschung und dem damit verbundenen Kurs im Virtuellen Campus interessieren sich sehr viele Kolleg*innen. Es zeichnet sich eine hohe Bereitschaft ab, anstehende Ver?nderungsprozesse mitzugestalten.
Wie geht es weiter?
Aktuell entsteht ein am F?cherspektrum der Universit?t ausgerichteter Fragenkatalog, der hilft, Forschungsfragen auf Potentiale für die Integration von Gender und Geschlecht als Variablen hin abzuklopfen und neue Perspektiven und Fragen anzuregen. Aus dem bereits angesprochenen im Aufbau befindlichen Netzwerk k?nnen in Zukunft eine Profilinitiative und ein Zentrum für geschlechtersensible Forschung hervorgehen. Ziel ist es, interessierte Forschende über F?cher und Fakult?tsgrenzen hinweg in 球探足球比分 zu bringen, Expertise auszutauschen und durch interdisziplin?re Zusammenarbeit neue Erkenntnisse zu generieren. Wissenschaftler*innen, die am Leitfaden mitarbeiten oder sich im Netzwerk einbringen m?chten, k?nnen sich unter genial(at)uni-bamberg.de melden. Beim Festakt der Frauenbeauftragten im Dezember 2022 ist die offizielle Netzwerkgründung vorgesehen.
Was bringt es der Universit?t, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen?
Es bietet die Chance für exzellente und innovative Forschung, die blinde Flecken aufl?st und neue Erkenntnisse gewinnt. Daneben ergeben sich M?glichkeiten zu neuen Kooperationen und interdisziplin?rer Vernetzung. Die Berücksichtigung der Geschlechterdimension ist heute unerl?sslich, um mit anderen Universit?ten erfolgreich in den Wettbewerb treten zu k?nnen – nicht nur in Sachen Drittmitteleinwerbung, sondern auch, um etwa junge Menschen für ein Studium in Bamberg zu gewinnen.
Vielen Dank für das Interview!
Weitere Informationen zu GENIAL unter: www.uni-bamberg.de/frauenbeauftragte/gender-diversity/genial

