Von Müttern und T?chtern
Fast schon eine kleine Tradition: Zum dritten Mal begab sich das Graduiertenkolleg ?Generationenbewusstsein und Generationenkonflikte in Antike und Mittelalter“ im Rahmen einer Tagung auf Spurensuche in mittelalterlicher Literatur. Vom 30. November bis 1. Dezember erforschten die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die literarische Verarbeitung von ?Jung und Alt“ und ?Mann und Frau“ im Mittelalter.
?Generationenkonflikt“ und ?Geschlechterkampf“ – Begriffe, die in unserer heutigen Gesellschaft jeder kennt. Doch welche Bedeutung hatte das Problemfeld in der h?fischen, mittelalterlichen Kultur? Mit dieser Frage besch?ftigten sich Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler vom 30. November bis 1. Dezember in der AULA der Universit?t. Organisiert wurde die Tagung vom DFG-Graduiertenkolleg ?Generationenbewusstsein und Generationenkonflikte in Antike und Mittelalter“ mit Prof. Dr. Hartwin Brandt als Sprecher. Schwerpunkt der Tagung war die Inszenierung von ?generation and gender“, wobei der Fokus auf der Rolle der Tochter lag. Themen wie ?V?ter und T?chter in literarischen und didaktischen Texten des franz?sischen Mittelalters“, ?Antike T?chter in deutscher Erz?hlliteratur“ und ?Nibelungische Mutter-Kind-Beziehungen“ standen unter anderem auf dem Programm. Besonders interessant gestalteten sich die anschlie?enden Diskussionen für die 14 Stipendiatinnen und Stipendiaten, die momentan an ihren Dissertationen in diesen Forschungsfeldern arbeiten. Organisiert wurde die Veranstaltung von Prof. Dr. Dina De Rentiis vom Lehrstuhl für Romanische Literaturwissenschaft.
?Sie sind ein schlechtes Ding“
Betrachtet man die ?berlieferungen, gewinnt man leicht den Eindruck, dass im Mittelalter und in der Antike die m?nnliche Dominanz besonders ausgepr?gt war. Der Ritter des h?fischen Romans und K?mpfer der Heldenepik trifft auf die Adlige, die meist nur passives Objekt seiner Begierde ist – die Rollen waren eindeutig. Einige der Vortr?ge nahmen Frauenfiguren in den Blick, die aus ihrer weiblichen ?gottgegebenen“ Rolle heraustreten und ?m?nnliche“ Rollen einnehmen. Ob ?allein durch die Kraft der Sprache“ wie in Giovanni Boccaccios ?Il Decamerone“ oder durch den Racheakt Kriemhilds im Nibelungenlied – es gibt, wenn auch selten, einige Werke in der mittelalterlichen Literatur, die das Bild der k?mpfenden und kriegerischen Frau darstellen. Besonders die Kriemhild-Gestalt ist in der heutigen Forschung sehr umstritten. Soll sie nun verurteilt werden oder nicht? Wie leicht ist es, Unrecht zu Recht zu machen? Und inwieweit ist dies charakteristisch für die Helden in der Literatur, egal ob m?nnlich oder weiblich? Diesen Fragen widmete sich auch Prof. Dr. William Layher, Medi?vist an der Washington University in St. Louis.
Ein Kuss sagt mehr als tausend Worte
?Geb?rden sind keine zum Lachen reizenden Angelegenheiten; sie werden n?mlich gemacht, um etwas zu vergegenw?rtigen.“ Mit diesem Zitat von Thomas von Aquin er?ffnete Prof. Dr. William Layher seinen Vortrag ?Kriemhilds Kuss: Lippenbekenntnisse einer r?chenden Schwester“. Er thematisierte dabei die Bedeutung von Gesten und Geb?rden in der mittelalterlichen Kultur. Im Unterschied zu modernen Gesellschaften war die mittelalterliche Gesellschaft in hohem Ma?e von nonverbaler Kommunikation gepr?gt. Gesten und Geb?rden hatten einen festgelegten Bedeutungsinhalt, h?ufig sogar rechtlichen Charakter. Kriemhild sagt: ?Durch den Mund kommt die Sühne.“ Aber damit meint sie nicht die vers?hnenden Worte, sondern den Friedenskuss. ?Die k?rperliche Geb?rde dient also als Aussage des Herzens“, so Layher. Im Nibelungenlied gibt es jedoch ?Brüche“ im zwischenmenschlichen Bereich, denn Gesagtes und Getanes wird h?ufig unterschiedlich interpretiert von den beteiligten Personen.
Prof. Dr. Ingrid Bennewitz vom Lehrstuhl für Deutsche Philologie des Mittelalters und stellvertretende Sprecherin des Graduiertenkollegs griff im Anschluss die Problematik des Mutter-Sohn-Konfliktes auf und besch?ftigte sich mit der ?scheinbar geringen Tiefe des Beziehungsgrades zu den S?hnen“, ebenfalls im Nibelungenlied.