St. Petersburg und seine Umgebung
Im Sommersemester 2009 wurde zum ersten Mal eine gro?e Exkursion in Ru?lands "Zweite Hauptstadt", St. Petersburg angeboten! Zu Beginn des Semesters wurde in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Slavische Literaturwissenschaft mit den n?tigen Vorbereitungen begonnen. Auch die Studierenden leisteten in den auf St. Petersburg konzentrierten Seminaren ihren Beitrag und stimmten sich gegenseitig auf eine zehnt?gige Besichtigung einer Stadt ein, die es geschafft hat, alle Epochen seit ihrer Gründung harmonisch, zuweilen aber auch etwas skurril zu vereinen.
Das Besondere an St. Petersburg ist seine ungew?hnliche Lage. Nahe des Finnischen Meerbusens gelegen, durchqueren es unz?hlige Kan?le. Es zwingt sich der Vergleich mit Venedig auf. Doch w?hrend man in der Lagunenstadt ohne "vaporetto" in seiner Bewegungsfreiheit ?u?erst eingeschr?nkt ist, bietet das Boot in St. Petersburg eine zum üblichen Landweg zus?tzliche M?glichkeit, an sein Ziel zu gelangen. Für den Besucher bleibt die Fahrt über das Wasser eine Besonderheit, und erlaubt, die Peter-Pauls-Festung, den ?ltesten Teil der Stadt, oder Peterhof, wie G?ste im 18. Jahrhundert es taten, von der Wasserseite aus anzufahren.
Drei solcher Bootstouren haben auch die 23 ExkursionsteilnehmerInnen miterleben dürfen und dabei Einblicke, Ausblicke und Durchblicke eingefangen, die mal ergreifend, wie der dramatische Wolkenhimmel über dem Smolnyj-Kloster, mal überrschend waren, so z.B. die V?gelchenfigur "?i?ik-Py?yk“ im Kanal, die Touristen mit Münzen zu bewerfen pflegen. Am besten lernt man eine Stadt aber kennen, indem man sich zu Fu? auf den Weg macht. Im Mittelpunkt stand hierbei das Kennenlernen verschiedener Baustile aus 300 Jahren Stadtgeschichte. Den dekorativen, doch relativ geradlinigen Jugendstil konnten die TeilnehmerInnen an Mietsh?usern und Villen erkennen. Konstruktivistische Bauten wie auch Geb?ude aus stalinistischer Zeit waren ebenso auf der Peterograder Seite vertreten. Einen ganzen Tag lang widmete sich die Gruppe dem Nevskij Prospekt, der berühmten Prachtstra?e St. Petersburgs. Von der Admiralit?t bis zum Aleksandr-Nevskij-Kloster, auf welches der Sta?enzug an seinem Endpunkt trifft, gab es neben den bekannten Kaufh?usern "dom knigi" - ursprünglich Firmengeb?ude der Kompanie Singer - und "Eliseev", auch ungew?hnliche Anblicke. Man begegnete einer überlebensgro?en matre?ka, wunderte sich über die Pilz-Apotheke oder ein zur H?lfte abgerissenes Wohnhaus, dessen noch darin befindliche bunte Tapeten und M?bel sich mehr oder weniger standhaft zeigten. Stellvertretend für die vielen Pal?ste sei hier der "Stroganovpalast" genannt. Der im Jahre 1754 vom italienischen Architekten B. F. Rastrelli für den Grafen Stroganov umgebaute Adelspalast stellt mit seinem festlichen Charakter und den plastischen Ausformungen in der Fassade eine typisch russische Version der Barockarchitektur dar. Nicht weniger bewundernswert war die "Rossi-Stra?e". Die nach ihrem Erbauer benannte, vom Nevskij Prospekt wegführende Stra?e gilt in ihrer harmonischen Ausgewogenheit und ihrem klassizistischen Erscheinungsbild als Paradebeispiel vollendeter Proportionen. Ein unerwarteter Anblick bot sich einigen TeilnehmerInnen, als sie in die etwas zurückgesetzt vom Nevskij Prospekt liegende evangelische Petrikirche eintraten. In der ersten H?lfte des 19. Jh. für die dortige Deutsche Gemeinde errichtet, wurde sie w?hrend der Sowjetzeit als Schwimmbad genutzt! Zwar finden in der Kirche wieder Gottesdienste statt, doch erinnern alte Bodenfliesen und B?nke an jene Zweitnutzung.
Auf dem Programm standen des Weiteren ausgew?hlte Museumsbesuche. So galt der vierte Tag in St. Petersburg der riesigen Sammlung in der Eremitage, deren Hauptgeb?ude sich am Schlossufer aneinander reihen. Schon nach kurzer Wartezeit konnte die Gruppe, an der langen Besucherschlange vorbei, in das Innere des Winterpalais gelangen und sich, je nach Geschmack, verschiedensten Kunstwerken unterschiedlicher Epochen und V?lker widmen. Einen echten Gegensatz zur Museumskonzeption der Eremitage bot das so genannte ?Matju?in-Haus“. Im ehemaligen Wohnhaus von Michail Matju?in und seiner Frau, Elena Guro, wichtigen Vertretern der russischen Avantgarde, erh?lt der Besucher neben Privatr?umen mit originalen Einrichtungsgegenst?nden, vor allem Einsicht in die avantgardistische Bewegung der 1910er Jahre, deren Zentrum in St. Petersburg dieses Holzhaus war. Im Russischen Museum trafen die ExkursionsteilnehmerInnen auf die fassettenreiche Kunst des Russischen Reiches von seinen Anf?ngen bis zum 20. Jh. Ein H?hepunkt waren sicherlich die vielen altrussischen Ikonen, deren Funktion und Bedeutung eine Museumsführerin zusammen mit Frau Prof. Raev erkl?rte, w?hrend die Studierenden die Meisterwerke betrachteten.
Drei Tage der Exkursion verbrachte die Gruppe au?erhalb der Stadt. Pavlovsk, Peterhof und Carskoe Selo - so hei?en die drei gro?en Zarenresidenzen, die sich durch ihre weiten Parkanlagen auszeichnen. Die barocke Pracht von Schloss Peterhof, ebenso wie sein durchkomponiertes, mit Wasserspielen angereichertes Parkareal, brachten den TeilnehmerInnen die Peterzeit n?her, w?hrend Pavlovsk mit dem im neopalladianischen Stil erbauten Schloss und seiner idealen, weitl?ufigen Naturlandschaft begeisterte und der Gruppe einen besinnlichen Tag in der Natur bescherte. In Carskoe Selo spiegelt sich sowohl die Epoche Elizaveta Petrovnas als auch die Katharinas II. wider. Die von B.F. Rastrelli gestaltete Schlossfassade und der Park an dessen Gartenfront haben barocken Charakter, w?hrend an diesen englische Landschaftsparks angrenzen. Damit bot auch Carskoe Selo viele Wanderziele innerhalb seiner Parkanlage, die die Gruppe in eine Fantasiewelt eintauchen lie?. Sieht man diese drei Residenzen im Vergleich, hat wohl jede ihre Reize. Sei es das am Meer gelegene Peterhof, die verschlungenen Pfade im Park Pavlovsk oder die M?glichkeit, in Carskoe Selo die noch (!) in ihrem ursprünglichen Zustand belassenen, d.h. nicht restaurierten R?ume des Achatpavillons zu besichtigen. Doch nicht nur Kunst und Architektur allein standen im Fokus der Exkursion. Einen wichtigen Aspekt lieferte auch die Literaturwissenschaft. Mit einem literarischen Spaziergang durch St. Petersburg lernte die Gruppe herausragende russische Schriftsteller und Dichter kennen.
Abschlie?end sei zu erw?hnen, dass auch Landeskunde ein wichtiger Bestandteil der Exkursion war. Mit jedem neuen Tag erfuhren die TeilnehmerInnen mehr, wie das Leben in einer russischen Gro?stadt abl?uft. Man verstand schnell, dass man mit kleinen Geldscheinen Pluspunkte bei Kassiererinnen sammeln kann. Andererseits sollte man als Ausl?nder immer etwas mehr Geld für Eintritte einplanen. Der Kapit?n gibt auch gerne mal sein Steuer aus der Hand und in einem Bus mit 12 Sitzen finden problemlos auch 20 Personen Platz.
Irina Alter, Helene Ki?ler