Jungneolithisches Steinbeil aus K?nigsfeld/Landkreis Bamberg
Inhalt und Ziele
Um etwa 5500 v. Chr. kam es in Mitteleuropa zu einem der bedeutendsten Umbrüche in der Menschheitsgeschichte: dem Wechsel von einer nomadisierenden J?ger- und Sammlergemeinschaft hin zu dem sesshaften Leben der Ackerbauern und Viehzüchter. Durch die Kultivierung von essbaren Pflanzen, der Domestizierung von Wildtieren und Gründungen erster, dauerhafter Siedlungen ?nderte sich die bisherige Lebensweise komplett. Regelm??ige Ernten lie?en die Bev?lkerungszahl ansteigen, wodurch sich auch die sozialen und gesellschaftlichen Strukturen grundlegend ?nderten. Bis heute sind die genauen Abl?ufe dieser ?Neolithischen Revolution“ nicht im Einzelnen gekl?rt und Ausgangspunkt verschiedener Forschungen. In den letzten Jahren wurden in der Region und auf der N?rdlichen Frankenalb diverse neolithische Siedlungen untersucht. Arch?ologische Grabungen der Universit?t Bamberg fanden u.a. bei K?nigsfeld in Oberfranken das bis dato ?lteste Grabenwerk in einer Mittelgebirgslage in ganz Europa, welches eine Siedlung der bandkeramischen Kultur als fortifikatorisches Bauwerk im 50. Jh. v. Chr. umschloss.
2016 wurde dort von einem ehrenamtlichenSammler auf einem frisch gepflügten Feld ein jungneolithisches Beil (ca. 4200-3500 v. Chr.) gefunden, welches zeitnah dem Lehrstuhl für Ur- und Frühgeschichtliche Arch?ologie in Bamberg für Untersuchungen übergeben wurde. Dieses stammt zwar aus dem Bereich der frühneolithischen Siedlung, ist aber deutlich jünger als diese und vermutlich mit einer rituellen Deponierung zu verbinden. Eine zugeh?rige Siedlung der sogenannten Michelsberger Kultur dürfte sich auf dem nahegelegenen Kirchberg bei K?nigsfeld befinden, da Lesefunde gleicher Zeitstellung von dort bekannt sind. Auff?llig an dem Fundstück ist zum einen, dass es den sogenannten Jadeit-Beilen ?hnelt, deren Rohmaterial aus der Umgebung des Monte Viso (Norditalien) stammt. Diese Prestigeobjekte wurden über mehrere Jahrhunderte durch ganz Europa bis nach Skandinavien gehandelt. Genauere Untersuchung des kompakten Tr?germaterials mittels Faser-Mikroskop, Rasterelektronenmikroskopie und Infrarotspektroskopie (FT-IR) lassen tats?chlich auf ein Natrium-Aluminium-Silikat schlie?en, das mit Jadeit übereinstimmt. Erh?hte Werte an Calcium und Magnesium k?nnten eine Vergesellschaftung des Jadeits mit Nephrit andeuten, was auf eine andere Lagerst?tte sprechen würde.
Ob das Beil nun tats?chlich aus dem Piemont stammt, konnte nicht zweifelsfrei gekl?rt werden und bedarf weitergehender, insbesondere geologischer Untersuchungen. Eine weitere, weitaus gr??ere Auff?lligkeit des Steinobjektes sind allerdings die auf beiden Seiten vorkommenden br?unlich-roten Linien, die eine Art Bemalung darstellen k?nnten. Dieser Befund würde das Beil zu einem absoluten Unikat machen. Zur Kl?rung der roten Spuren wurden deshalb Untersuchungen am KDWT vorgenommen, die sich auf die Materialzusammensetzung des farbigen Auftrags konzentrierten.
Methode
Durch hochaufl?sende Mikroskopaufnahmen (Keyence/ VHX 5000) konnte gezeigt werden, dass diese ?Bemalung“, die man als Linien, Strichelungen und Tupfen interpretieren kann, eine in mehreren Lagen aufgetragene Farbe ist. Der Auftrag liegt an den noch erhaltenen Stellen als Farbagglomerat vor. Hinweise, dass es sich dabei um anorganische Eisenpigmente in einer Bindemittelmatrix handelt k?nnte, waren aus dem hohen Gehalt an feink?rnigen Eisenverbindungen abzuleiten, die in Randbereichen rostbraun ?ausbluten“ und die Gesteinsgrenzfl?che unterhalb der Zeichnung rotbraun verf?rbt haben. Auch die sekund?r gebildeten gl?nzenden Krusten, die sich teilweise auf der Oberfl?che der etwas dickeren Linien finden, sprechen für mobilisierte Eisenphasen. Das ?Bluten“ und die Krustenbildung stehen in Relation mit der geringen Korngr??e der Eisenpigmente. Durch Feuchtigkeit und Diffusion wandern diese nur 0,002 bis 0,063 mm gro?en Partikel und scheiden sich in dünnen, aber farbintensiven Schichten auf Oberfl?chen ab. Rasterelektronenmikroskopische Analysen (REM: Philips/ XL40; EDS: Bruker/ AXS X-Flash Detektor 5010) best?tigten die Vermutung. Es zeigte sich weiterhin, dass die Eisenpigmente in eine organische Matrix eingebunden sind. Diese ist inhomogen und von Mikroporen und Fremdpartikeln durchsetzt, welche an Zellgewebe erinnern.
Messungen ergaben neben den gesteinstypischen Elementen wie Na, Mg, Al und Si vor allem Kohlenstoffverbindungen, in denen Ca und Mg, Na und K, S, Cl und Fe sowie P deutlich angereichert ist. Zur Formulierung einer ersten These zur Herkunft der organischen Matrix wurde der Vergleich mit der Zusammensetzung von Blutplasma herangezogen, aus der sich Parallelen ableiten lassen. Demnach k?nnte das Bindemittel der roten Bemalung eine Suspension aus zellul?ren Bestandteilen, Plasmaproteinen, Fetts?uren und den im Blut vorkommenden Elektrolyten und H?moprotein gewesen sein. Dies würde auch die Inhomogenit?t der Matrix erkl?ren. Dass sich diese Bestandteile trotz des hohen Alters des Beils und vor allem der langen Bodenlagerung finden lassen, l?sst sich zum einen durch die schützende Wirkung der Eisenkrusten auf den Linien und zum anderen durch die sekund?re Verkieselungen der Schicht durch Einlagerung von mikrokristallinen SiO2 aufgrund der Bodenlagerung erkl?ren. Auch FT-IR-Messungen (PerkinElmer/Frontier/Spotlight 400) best?tigten den Befund eines organischen Bindemittels und das Vorhandensein anorganischer Eisenpigmente. Bei Letzteren handelt es sich um eine Mischung aus Eisen(III)oxid (H?matit) und Umbra-Sorten. Das organische Bindemittel der Matrix l?sst sich IR-spektroskopisch als degenerierte Proteine mit Fetts?uren (Lipiden) ansprechen. Zur Deutung des an Mikroporen reichen Gefüges w?re das Aufkochen der Eisenpigmente in einem Sud aus Blut mit Resten von fetts?urehaltigem Gewebe denkbar, wodurch sich eine Masse ergeben k?nnte, die als pastose ?Malfarbe“ auf dem Jadeit-Beil aufgetragen wurde.
Zur vorl?ufigen Abkl?rung der Befundlage wurde das Beil aus K?nigsfeld mit einem weiteren Jadeit-Beil aus den Best?nden des Historischen Vereins Bayreuth verglichen, welches 1997 bei Prüllsbirkig nahe Pottenstein gefunden wurde. Auch dieses Jadeit-Beil ist zeitlich in das Jungneolithikum zu datieren. Die substanziellen ?hnlichkeiten sind verblüffend. Dies best?tigten unter anderem Analysen der Beile mit ICP-MS-Messungen, die an der TU München am Centrum für Baustoffe und Materialprüfung zerst?rungsarm durchgeführt wurden. Nun ist es die Aufgabe der Ur- und Frühgeschichtlichen Arch?ologie den Farbauftrag im historischen Kontext mit anderen neolithischen Funden zu diskutieren und in weiteren Projekten mehr Licht auf die au?ergew?hnlichen jungsteinzeitlichen Siedlungen und Fundstücke Nordbayerns zu bringen.
Bilder
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