Architekturfarbigkeit

Inhalt und Ziele

Ein gutes Grundlagenwissen ist Voraussetzung für wissenschaftliches Arbeiten in der Denkmalpflege. Dies gilt auch für den Bereich der historischen Farbigkeit. Wie sieht ein denkmalfachlich angemessener Umgang mit der Farbgestaltung von Baudenkm?lern aus? Dabei geht es ja nur in wenigen F?llen um die sichtbare Erhaltung der materiellen Substanz. Farbe ist flüchtig, eine Verschlei?schicht, oftmals nur in kleinsten Fragmenten erhalten. Und dennoch ist die Farbigkeit – jenseits der materiellen Substanz – wesentlicher Teil der Denkmalaussage. Wie kann die Denkmalpflege vor diesem Hintergrund wissenschaftlich qualifiziert arbeiten?

Farbe ist ein wesentlicher Teil des Baudenkmals und der Denkmalaussage. Die farbige Gestaltung des Denkmals - insbesondere der Fassade - steht im Blickfeld der ?ffentlichkeit, denn Fassaden werden von allen gesehen. Die denkmalfachliche Besch?ftigung mit der historischen Farbigkeit sollte sich aber keineswegs auf die Fassade beschr?nken, auch die farbige  Innenraumgestaltung ist ein wichtiger Bereich der Denkmalpflege. Farbe weckt vielfach Emotionen.

Neue Funde zur historischen Farbigkeit:

Folgende Gestaltungsph?nomene stehen aktuell besonders im Fokus:

Monochromie:

Für den Anfang des 18. Jahrhunderts lassen sich erstmals monochrome Fachwerkfassungen an Fassaden in Franken nachweisen. Für den Innenbereich sind monochrome Fachwerkfassungen vielfach anzutreffen und auch in Süddeutschland als weit verbreitet bekannt. Eine monochrome Gestaltung meint in diesem Zusammenhang den gleichfarbigen Anstrich sowohl auf den H?lzern der Fachwerkkonstruktion als auch auf den Putzfeldern der Ausfachungen. Einzelne Beobachtungen in anderen Regionen Deutschlands legen den Schluss nahe, dass monochrome Fassungen an Fachwerkfassaden einst weit verbreitet waren.

Diese Situation deckt sich mit einer generellen Entwicklung in der Architekturfarbigkeit zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Wichtige Herrschaftsbauten wurden über alle Fassadengliederungen hinweg monochrom, zumeist steinfarben, gefasst. In diesem Zusammenhang sind auch aufw?ndig stuckierte barockzeitliche Innenr?ume zu sehen, die ebenfalls monochrom gefasst waren. Darunter eine ganze Anzahl von jüngst untersuchten ehemals und nun erneut wei? gefassten Kirchenr?umen. Oder der monochrom ?steingraue“ Wassersaal der Orangerie in Erlangen

Gepunktete Küchenfassungen

Gerade in Küchen sind die historischen Fassungen h?ufig stark zerst?rt, eine Befundung entsprechend schwierig. Mittlerweile konnte bereits eine gr??ere Anzahl an Küchen dokumentiert werden, die farbig gepunktete Oberfl?chen aufweisen. Die r?umlich, zeitlich und gestalterisch weite Streuung der Befunde belegen, dass es sich nicht um Einzelf?lle handelt, sondern um eine einstmals weit verbreitete Gestaltungsweise. In der Zusammenfassung lassen sich Rückschlüsse zur Art der Gestaltung, zum Aufkommen und zur Verbreitung von gepunkteten Küchen treffen. Die bisher bekannten Beispiele finden sich im Zentrum Frankens, zwischen Nürnberg, Bamberg und Ansbach, sowie in der Gegend um Bardowick in Niedersachsen. Eine Verbreitung weit über diesen Bereich hinaus ist jedoch anzunehmen. Punktfassungen in Küchen sind von 1700 bis Mitte des 19. Jahrhunderts nachgewiesen. Die Variationsm?glichkeit bei den Punktmustern scheint schier unbegrenzt.

Schwarzfassungen

Schwarz gefasste Oberfl?chen lassen sich bei aufmerksamer Befundung immer wieder feststellen, auch wenn diese - aus heutiger Sicht - gew?hnungsbedürftig erscheinen. Das verwendete Pigment, Ru?, war denkbar einfach zu gewinnen und überall vorhanden. Seit l?ngerem bekannt sind schwarz gefasste Holzdecken. Es wurden darüber hinaus aber auch ganze Innenr?ume dunkelgrau bis schwarz gestrichen. In der Fassadengestaltung fand Schwarz sowohl monochrom als auch in Kombination mit einer 球探足球比分farbe (Wei?, Gelb, Rot) Verwendung.
Die Einzelbefunde sind bisher weder systematisch erfasst noch ausgewertet worden.

Fensterfarbigkeit

Die Forschung zu diesem Thema steht ebenfalls noch in den Anf?ngen. Festzuhalten bleibt, dass in Süddeutschland der Siegeszug der wei?en Fenster erst ab dem sp?ten Jugendstil beginnt. In der Entwicklung dominieren bis etwa 1750 holzsichtige Fenster, wohingegen der Anteil von deckend gestrichenen Fenstern ab 1700 kontinuierlich zunimmt. Typisch barocke Farbgebungen sind dabei ?Eichfarb“ (ocker/braun), ?Silberfarb“ (grau) und wei?. Bisher l?sst sich grün erstmalig 1766 nachwei?en.Als Einzelbefund ist auch ein Smalteblau für 1728 überliefert. Dunklegraue Fenster sind ebenfalls nachgewiesen, und rote Fenster dürften ebenfalls schon im 18. Jahrhundert zur Ausführung gekommen sein. Im Klassizismus und Biedermeier (1770- 1860) scheinen grau und wei? zu dominieren, holzfarbene Fenster waren aber weiterhin verbreitet, auch grün ist überliefert. Die Gründerzeit bevorzugt eindeutig holzfarbene Fenster h?ufig als holzimitierender Anstrich mit einer Maserierung. Dunkle Graut?ne und Grün kommen gelegentlich vor. Rot wird h?ufig als vermeintlicher Holzschutz im Grundanstrich verwendet. Wei?e Fenster sind im süddeutschen Raum zu dieser Zeit ?u?erst selten, aber vereinzelt nachweisbar. Im Jugendstil ?ndert sich nichts grunds?tzlich, wei? ist auf dem Vormarsch aber auch Grünt?ne gewinnen wieder an Beliebtheit.

Methode

Grundlage der Wissenschaft ist immer das Wissen, dieses muss man sich erwerben, ja es t?glich erweitern. Daher ist es wichtig, Farbefunde zu erheben und auszuwerten. Der Erhebung und Kl?rung von Farbbefunden sind durchaus Grenzen gesetzt: Insbesondere die radikalen Instandsetzungsmethoden des 20. und 21. Jahrhunderts haben gro?fl?chig historische Architekturoberfl?chen zerst?rt. Restauratorische Untersuchungen zur historischen Farbigkeit auch bei Innenr?umen sind seit den 1980er Jahren guter Standard. Allein in der Datenbank des Bayerischen Landesamtes sind für das Archiv knapp 36.000 Dokumentationen zu 17.500 Baudenkm?lern unterschiedlichen Inhalts verzeichnet. Festzuhalten bleibt aber auch, dass die bisher in den ?mtern archivierten Objektdokumentationen zur historischen Farbigkeit eine hohe Fehlerquote aufweisen und daher nur eingeschr?nkt für eine wissenschaftliche Auswertung geeignet sind.

Aktuelle Publikation

Nathan, Carola: Kein Aprilscherz! Gepunktete Küchen in Franken und Niedersachsen. In: Monumente, Magazin für Denkmalkultur, 24. Jg., Nr. 2; 2014, S. 22-25.

Wenderoth, Thomas: Monochrome Anstriche von Fachwerkfassaden in Mittelfranken. In: Herbert May, Georg Waldemer, Ariane Weidlich (Hrsg.): Farbe und Dekor am historischen Haus (Quellen und Materialien zur Hausforschung in Bayern, Bd. 15), Petersberg 2010, S. 189-199.

Wenderoth, Thomas: Kochen auf den Punkt gebracht, gepunktete Küchen des 18. und 19. Jh. in Franken. In: Denkmalpflege-Informationen, Ausgabe B 155, München 2013, S. 29-31.

Wenderoth, Thomas: Zur wissenschaftlichen ?Substanz“ des Denkmalpflegers - Der denkmalfachliche Umgang mit Architekturfarbigkeit und ihrer Rekonstruktion. In: Landesamt für Denkmalpflege Schleswig-Holstein (Hrsg.): Denkmalpflege braucht Substanz. Jahrestagung der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland und 83. Tag für Denkmalpflege 7.-10. Juni 2015 in Flensburg. (Beitr?ge zur Denkmalpflege in Schleswig-Holstein, Bd. 6). Kiel 2017, S. 174-193.

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