Glaube an die Evolution? Darwins Theorie im Spiegel der Alltagsvorstellungen
Für den dritten und abschlie?enden Vortrag in der Reihe ?Und was stimmt jetzt ...? Evolutionstheorie und Sch?pfungsglaube im Diskurs“ am 24.06.2014 konnten die Veranstalter einen ?der“ Biologiedidaktiker Deutschlands gewinnen: Prof. Dr. Ulrich Kattmann, Emeritus der Universit?t Oldenburg, ist nicht nur ein herausragender Wissenschaftler auf dem Gebiet der Biologie-Didaktik, sondern bringt aus seinem Studium und seiner früheren T?tigkeit als Gymnasiallehrer auch das Interesse und Erfahrungen aus dem Gebiet der evangelischen Theologie mit. Aus diesem pers?nlichen Zusammenhang heraus ist es ihm ein besonderes Anliegen, sich für den Dialog zwischen Naturwissenschaft und Religion einzusetzen.
Unter dem Vortragstitel "Glaube an die Evolution? Darwins Theorie im Spiegel der Alltagsvorstellungen" verdeutlichte Prof. Kattmann dem zahlreich erschienen studentischen, wissenschaftlichen und au?eruniversit?ren Publikum Schüler- und Lehrervorstellungen von Evolution und seine Idee vom Zusammenspiel zwischen Glaube und Wissen, Naturwissenschaft und Glaube, Religionsunterricht und Biologieunterricht.
Anhand von Schüleraussagen zur Evolution veranschaulichte Kattmann zun?chst, dass Alltagsvorstellungen der Schüler und Schülerinnen das Lernen in markanter Weise pr?gen und beeinflussen. Erkl?rungen wie: ?Die Ente merkt, dass sie sich im Wasser schlecht bewegen kann, wenn sie nur mit drei Zehen herumpaddelt“, zum Thema Evolution begegneten Lehrkr?ften im Biologieunterricht nicht selten. Wenn Evolution als zielgerichtete Entwicklung oder gar als ?Entschluss“ von Lebewesen aufgefasst wird oder Sch?pfung und Evolution entweder als konkurrierende Tatsachen verstanden oder aber miteinander harmonisiert würden, haben Lehrkr?fte es mit Alltagsvorstellungen zu tun, die zwar durchaus das Ergebnis ernsthafter Bemühungen um das Verst?ndnis natürlicher Ph?nomene sind, wissenschaftlich gesehen aber nicht genügen k?nnten. Sie hielten sich erstaunlich hartn?ckig gegenüber Belehrungen und Ver?nderungen. Ulrich Kattmann pl?dierte dafür, derartige Vorstellungen nicht belehrend überwinden zu wollen, sondern sie bewusst im Unterricht zu nutzen: Schülerinnen und Schüler sollten an ihren Alltagsvorstellungen anknüpfen und sie zum Weiterlernen als ?Lernbrücke“ nutzen k?nnen. Dabei gehe es um ein Weiterlernen der Schülerinnen und Schüler an ihren eigenen Ideen.
Aber auch Lehrkr?fte müssten ihre Vorstellungen von Evolutionstheorie hinterfragen, denn selbst diese verstünden den Begriff Theorie nicht immer in seiner vollen Tragweite, sondern eher alltagssprachlich im Sinne ?grauer Theorie“ und nicht als Hypothese zur Erkl?rung von Kausalit?ten oder sie wünschten sich mehr ?harte“ Aussagen zur Naturgeschichte, die sie im Unterricht einbringen k?nnten. Prof. Kattmanns Folgerung daraus: N?tig sei auch für Biologen eine wissenschaftstheoretische Fundierung hinsichtlich der Frage, was eine Theorie aussagen k?nne und was nicht. Naturwissenschaft und ihre Didaktik brauche auch eine Reflexion der Tragweite und Grenzen ihrer Aussagen.
Doch wie steht es mit dem Verh?ltnis von Naturwissenschaft und Religion? Wie verhalten sich Sch?pfung und Evolution zueinander? Im dritten Teil seines Vortrages machte sich Kattmann für den Dialog zwischen den beiden Perspektiven stark: Nicht auf der Tatsachenebene, sondern auf der Sinnebene k?nnten beide sich erg?nzen und Antworten finden. Wichtig sei es, nicht auf einen gegenseitigen Ausschluss von Aussagen zu setzen und auch nicht, sich gegenseitig zu best?tigen, sondern über den Sinnzusammenhang in den Austausch zu treten. Es gebe Fragen, bei denen Naturwissenschaft und Religion zusammenkommen und sich gegenseitig erg?nzen k?nnten. Anhand eines kleinen ?Curriculums“ verdeutlichte Kattmann, welche Korrespondenzen biblische und biologische Themen seiner Meinung nach aufweisen und wie diese für die Schülerinnen und Schüler fruchtbar gemacht werden k?nnten: Korrelationen zwischen den Aussagen zur Frage ?Woher komme ich?“ k?nnten die Schülerinnen und Schüler zum Beispiel zwischen Psalm 139 und der Embryonalentwicklung im Biologieunterricht entdecken. Die Frage ?Woher kommt der Mensch?“ k?nne die Naturgeschichte des Menschen beantworten, aber auch der Sch?pfungshymnus im Buch Genesis.
Dem Publikum gab Prof. Kattmann damit Denkanst??e mit auf den Weg, welche Blickrichtungen und Fragen das Themenfeld ?Naturwissenschaft und Religion“ für Lernende zug?nglich machen k?nnen. Den Dialog beider Perspektiven auf der Sinnebene anzuregen und sinnvoll zu gestalten, sei Aufgabe von Lehrkr?ften im Biologie- genauso wie im Religionsunterricht.