Interaktion und Infektion

Eine Simulation der dynamischen Entwicklung einer Viruserkrankung unter nicht-pharmazeutischer Intervention aus sozialwissenschaftlicher Perspektive

Dominik Klein, Johannes Marx, Daniel Mayerhoffer & Jürgen Sirsch

Bamberg, 27. M?rz 2020 (zuletzt aktualisiert: 31.03.2020)

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Die Verbreitung von Viren h?ngt nicht nur von biologischen Faktoren sowie der Verfügbarkeit von wirksamen pharmazeutischen Produkten, sondern auch von menschlichem Verhalten ab. Da im Fall von CoViD-19 aktuell keine pharmazeutischen Interventionsma?nahmen zur Verfügung stehen, rücken nicht-pharmazeutische Ma?nahmen wie Social Distancing und Quarant?nen in den Fokus. Ob und wiefern diese wirken, h?ngt neben medizinischen Parametern auch von menschlichem Verhalten ab. So spielt beispielsweise eine Rolle, ob genügend Menschen erreicht werden und diese ihr Sozialverhalten tats?chlich ?ndern. Wir bieten hier eine interaktive Computersimulation an, die es erlaubt verschiedene Policy-Ma?nahmen und soziale Regeln wie Social Distancing und Quarant?ne in Hinblick auf ihr Potential zur Viruseind?mmung zu vergleichen. Im Folgenden Text beschreiben wir den Grundaufbau der Simulation sowie einige Implikationen dieser Simulation.

Zum Start der Simulation klicken Sie auf das nachfolgende Bild oder diesen Link.

Disclaimer

Diese Simulation ist nicht geeignet, um auf ihrer Grundlage konkrete Policy-Empfehlungen zu formulieren. Für eine solche Zielsetzung müsste die Simulation realit?tsn?her sein, und die Charakteristika von CoViD-19 müssten in der Simulation genauer kalibriert sein. Stattdessen dient sie der Forschung, um soziale Mechanismen der dynamischen Verbreitung von Viruserkrankungen zu analysieren und besser zu verstehen. Darüber hinaus kann sie auch zur Illustration und als Werkzeug zum interaktiven Verstehen eingesetzt werden, in der akademischen Lehre und darüber hinaus.

Einleitung

Infektion mit Viren und die Behandlung daraus resultierender Krankheiten sind medizinische Probleme. Was haben Sozialwissenschaftler*innen dazu zu sagen? Die Verbreitung von Viren h?ngt nicht nur von biologischen Faktoren sowie der Verfügbarkeit von wirksamen pharmazeutischen Produkten, sondern auch von menschlichem Verhalten ab. Da im Fall von CoViD-19 pharmazeutische Interventionsma?nahmen zum aktuellen Zeitpunkt nicht zur Verfügung stehen, rücken nicht-pharmazeutische Ma?nahmen in den Fokus. Und hier wird deutlich, dass die Eind?mmung der CoViD-19-Epidemie auch eine sozialwissenschaftliche Dimension hat.

So ist die Effektivit?t politischer Ma?nahmen zur Eind?mmung von CoViD-19 davon abh?ngig, ob durch die Ma?nahmen genügend Menschen erreicht werden und diese ihr Verhalten in sozialen Kontexten tats?chlich ?ndern: Halten sich hinreichend viele Menschen an politische Appelle, engen 球探足球比分 zu anderen Menschen zu vermeiden? Hilft es, wenn der Staat erwünschtes Verhalten empfiehlt (z.B. Hinweise zur Handyhygiene) oder sollte er auch unerwünschtes Verhalten sanktionieren (z.B. durch Ausgangsbeschr?nkungen)? Was passiert, wenn sich nur diejenigen daran halten, die bei sich selbst Symptome bemerken? Und wie ?ndert sich die Ausbreitungsdynamik, wenn fast alle die Verhaltensregeln befolgen?

Und selbst wenn es bei Ma?nahmen zur Reduktion sozialer 球探足球比分e aus kollektiver Sicht m?glich w?re, das hinreichende, CoViD-19 eind?mmende Beteiligungsniveau zu bestimmen, so stellt sich aus sozialwissenschaftlicher Perspektive ein Kollektivgutproblem. Nur weil es kollektiv gesehen rational ist, bedeutet dies noch nicht, dass die Individuen sich entsprechend verhalten, damit das notwendige Beteiligungsniveau erreicht wird. Dies gilt selbst dann, wenn dies für alle Personen in der betroffenen Population einen positiven Nutzen h?tte. Schlie?lich k?nnen die Individuen von der Nutzung eines Kollektivguts nicht (bzw. nur sehr schwer) ausgeschlossen werden, selbst wenn sie sich nicht an der Bereitstellung des Gutes beteiligen. Dies gilt auch für m?gliche Eind?mmungsma?nahmen der CoViD-19-Epidemie. Es mag aus individueller Sicht optimal scheinen, wenn sich alle an die vorgegebenen Verhaltenseinschr?nkungen halten, man selbst sich aber weiterhin mit Bekannten trifft und sein Leben nicht ?ndert. In solchen F?llen kann auf Zwangsma?nahmen zurückgegriffen werden, um das Nichteinhalten direkt zu sanktionieren.

Hinzu kommt, dass es auf den ersten Blick aus individueller Sicht schwierig abzusch?tzen ist, wie relevant die Reduzierung von 球探足球比分en für die Eind?mmung des Virus überhaupt ist. Die aggregierten (zusammengenommenen) Effekte des Handelns einzelner Individuen sind manchmal schwer zu überblicken. Hierbei stellt sich das Problem, einen Zusammenhang zwischen individuellem Handeln (球探足球比分vermeidung vs. Nicht-球探足球比分vermeidung) und kollektiven Effekten (Verbreitung des Virus) herzustellen. Reicht beispielsweise die 球探足球比分freudigkeit einzelner Individuen aus, um eine ganze Population anzustecken? Reicht es aus, wenn sich nur die Infizierten in h?usliche Quarant?ne begeben, oder sollte dies auch für ihre 球探足球比分e gelten? Oder sollten Ma?nahmen zur Einschr?nkung sozialer 球探足球比分e gar für alle Personen der Gruppe getroffen werden? Um die Effekte dieser Ma?nahmen auf die Eind?mmung der CoViD-19-Epidemie angemessen beurteilen zu k?nnen, muss man sich Dynamiken ansehen, die einzelne Handlungen im Kollektiv erzeugen k?nnen. H?ufig finden sich dort dann gr??ere Muster, die für einzelne Individuen nicht nachvollziehbar sind und von daher auch nicht von ihnen beabsichtigt werden. Um kollektive Effekte individuellen Handelns abzusch?tzen reicht es also nicht, exemplarisch das Verhalten einzelner Individuen mikroskopisch zu erfassen. Zus?tzlich müssen Interaktionsmuster innerhalb von sozialen Netzwerken und komplexen Gesellschaften berücksichtigt werden. Hierfür eignen sich Simulationsmodelle wie dieses hier. Solche Simulationen helfen zu verstehen, wie eine graduelle Reduzierung von 球探足球比分en die Verbreitung des Virus verlangsamen kann. Und vielleicht tragen sie auch dazu bei, die Leser dieses Beitrages zu motivieren, ihren Teil zur Erzeugung des Kollektivguts beizutragen. Denn die Ergebnisse der Simulation sind eindeutig und zeigen, dass das Verhalten der einzelnen Akteure z?hlt und relevant ist, wenn die Ausbreitungsdynamik der CoViD-19-Epidemie gestoppt werden soll.

Gleichzeitig müssen wir an dieser Stelle aber auch noch ein paar Warnungen formulieren. Die Autoren dieses Beitrags sind keine Mediziner. Die verwendeten Ausgangsparameter stammen zwar aus aktueller medizinischer Fachliteratur und online zug?nglichen Quellen (siehe etwa Ferguson et al 2020, DOI: https://doi.org/10.25561/77482 und an der Heiden/Buchholz 2020, DOI: 10.25646/6571.2). Jedoch k?nnen Mediziner sicherlich weit besser als wir beurteilen, inwieweit diese Parameter empirisch zutreffend sind. Die von uns bereitgestellte Plattform zur Simulation der dynamischen Verbreitung einer Viruserkrankung kann daher leicht ver?ndert werden. Sie selbst k?nnen die verwendeten Parameter über die Eingabeoptionen des Modells ?ndern, wenn Sie die von uns gesetzten Ausgangswerte empirisch unplausibel finden – oder wenn Sie gerne verschiedene was-w?re-wenn Szenarien durchprobieren m?chten. Das untenstehende Modell dient daher auch nicht dazu, die tats?chliche Ausbreitung des Coronavirus vorherzusagen oder die Effizienz der verschiedenen Ma?nahmen exakt zu bewerten. Es dient vielmehr der Veranschaulichung zentraler sozialer Mechanismen, die Fragen der Ausbreitung und Eind?mmung unterliegen, und l?dt zum Experimentieren ein. Im besten Fall hilft dieses Modell Ihnen, einen ersten Eindruck von grundlegenden Mechanismen der dynamischen Verbreitung solcher Viruserkrankungen zu gewinnen und m?gliche Gegenma?nahmen zu evaluieren.

Beschreibung des Modells

Simulationen k?nnen als dynamische Modelle der Realit?t verstanden werden. Sie dienen dem Ziel, einen Ausschnitt der empirischen Welt einzufangen und dort grundlegende Prozesse und Mechanismen herauszuarbeiten. Dafür muss in Simulationen eine Reihe von Annahmen getroffen werden, die im Folgenden beschrieben werden. Für die Implementation unserer Simulation greifen wir auf die Software NetLogo zurück, die frei zug?nglich ist (siehe Wilensky, U. (1999). NetLogo.http://ccl.northwestern.edu/netlogo/. Center for Connected Learning and Computer-Based Modeling, Northwestern University, Evanston, IL.). Unser Modell simuliert die Ausbreitung des Virus in einer Bev?lkerung von 2000 Personen. Diese geringe Bev?lkerungszahl wurde in erster Linie zur flüssigen Umsetzbarkeit in der Webumgebung gew?hlt, die hier gefundene Ergebnisse zeigten sich stabil in Robustheitstests mit gr??erer Personenzahl. Wie zu erwarten ist, hat jedoch die Bev?lkerungsdichte (also das Verh?ltnis der Anzahl der Personen zur Gr??e der Modellwelt) einen Einfluss auf das Ausbreitungsverhalten der Epidemie. Da die Ergebnisse unserer Simulation jedoch weitgehend den empirisch beobachteten Daten entsprechen (etwa im Hinblick auf Sterberate und Ausbreitungsdynamik der Epidemie), gehen wir davon aus, dass die gew?hlte Populationsdichte empirisch angemessen ist. Die Individuen bewegen sich in ihrer unmittelbaren Umgebung innerhalb der Modellwelt, die man als ihr jeweiliges schulisches bzw. berufliches und privates Umfeld verstehen kann. Jedes Aufeinandertreffen von einer infekti?sen und einer noch nicht infizierten Person hat die Ansteckung von letzterer zur Folge. Das bedeutet, dass ein Aufeinandertreffen zweier Individuen im Modell nicht jede Begegnung in der Realit?t repr?sentiert, sondern jede tats?chlich stattfindende ?bertragung des Virus darstellt (sofern nicht beide Individuen bereits infiziert sind oder es strikte Quarant?nema?nahmen gibt). Eine Ansteckung der Bev?lkerung kann also hier nur durch politische Ma?nahmen oder eine freiwillige Mitwirkung der Individuen, wie etwa bei Quarant?ne oder bei Einschr?nkungen der Bewegungsfreiheit, verhindert werden, die ein Aufeinandertreffen von infizierten Personen mit nicht-infizierten Personen verhindern (dazu unten mehr). Pro Zeitschritt (Tick) bewegen sich alle einmal und haben auch einmal die Gelegenheit, andere anzustecken bzw. sich anzustecken. Einen Zeitschritt kann man beispielsweise als einen halben Tag verstehen, auch wenn die Natur unseres Modells hier bewusst keine unmittelbare Parallele zur Realit?t ziehen m?chte.

Nach einer Infektion wechselt die Farbe der Person in der Modellwelt von blau zu gelb, an ihrem Verhalten ?ndert sich jedoch nichts. Nach 8 Ticks (dies k?nnte etwa vier Tagen entsprechen) wird sie jedoch selbst ansteckend, ohne jedoch Symptome zu zeigen. In der Darstellung ?ndert sie ihre Farbe zu Orange. Der Zeitraum, in dem jemand infekti?s ist, kann man über den Parameter Zeitspanne-infekti?s festlegen. Nach aktuell zug?nglichen, empirischen Informationen scheint dieser Zeitraum kurz (im Modell ca. 5-10 Ticks) zu sein.

Nach weiteren 2 Ticks k?nnen Symptome ausbrechen. Dies geschieht im Einklang (mit aktuellen empirischen Einsch?tzungen zu CoViD-19 in zwei Dritteln der F?lle. Menschen mit leichteren Symptomen sind im Modell rot dargestellt, und nach 10 Ticks k?nnen sich ihre Beschwerden verschlimmern, sodass sie ins Krankenhaus müssen. Die Wahrscheinlichkeit hierfür kann über den Parameter Erkrankte-im-Krankenhaus eingestellt werden – plausibel erscheint eine Rate von 5-10%. Menschen im Krankenhaus bewegen sich nicht mehr, ihre Form ver?ndert sich von einem Pfeil zu einem Punkt und ihr Rot wird etwas dunkler. Nach weiteren zwei Ticks ben?tigt ein Drittel der Hospitalisierten Beatmung und von den zu Beatmenden sterben 40% nach 10 Ticks.

Im Modell k?nnen zwei Ans?tze zur Eind?mmung der Epidemie durchgespielt werden, n?mlich Social Distancing und Quarant?ne. Beim Social Distancing reduziert sich die Mobilit?t der Individuen (sie bewegen sich nicht mehr in der Modellwelt) und damit die Anzahl ihrer sozialen 球探足球比分e. Wann immer es im Modell dennoch zu sozialen 球探足球比分en kommt, weil sich distanzierende Menschen mit sich nicht distanzierenden Menschen in Berührung kommen (beispielsweise an der Arbeitsstelle oder beim Einkaufen) wird es trotzdem zu Infektionen kommen. Das Modell erlaubt die Differenzierung dreier Gruppen, die jeweils Social Distancing betreiben k?nnen: Erstens alle Erkrankte mit milden Symptomen, über Distancing-Erkrankte?; zweitens ein festgelegter Anteil der 球探足球比分e der Erkrankten, über Distancing-球探足球比分e; drittens ein festgelegter Anteil der Gesamtbev?lkerung, über Distancing-Allgemein.

Den zweiten Ansatz zur Eind?mmung der Epidemie haben wir mit Quarant?ne bezeichnet. Anders als bei Social Distancing kann es im Falle von strikten Quarant?nema?nahmen nie zu einer Ansteckung kommen. Simuliert man diese Ma?nahme (Parameter Quarant?ne-Erkrankte?), dann wird in unserem Modell strikte Quarant?ne für alle Personen angenommen, die sich mit CoViD-19 im Krankenhaus befinden. Optional k?nnen Quarant?nema?nahmen auch für Erkrankte mit milderen Symptomen (im Modell wird die Rate mit der Quarant?ne-Erkrankte festgelegt) oder sogar für deren 球探足球比分e (im Modell wird die Rate mit der Quarant?ne-球探足球比分e festgelegt) gelten.

Zur Verbreitung des Virus und der Effektivit?t m?glicher Gegenma?nahmen

In der Situation ohne jegliche Gegenma?nahmen zeigt sich eine starke und schnelle Verbreitung des Virus, welche das Gesundheitssystem an die Grenzen seiner Belastbarkeit bringt. Die Durchseuchung zeigt sich im geringen Anteil an verbleibenden Nicht-Infizierten zeigt, kann man die Verbreitungsgeschwindigkeit des Virus an der Anzahl der Zeitschritte (Ticks) ablesen, die vergehen, bis es keine infekti?sen Personen mehr gibt.

In den Medien wird h?ufig berichtet, dass die dynamische Entwicklung der CoViD-19-Epidemie ungef?hr einer Exponentialfunktion folgt, also an jedem Tag um einen fixen Prozentsatz zunimmt. Das Basismodell unserer Simulation, ohne Interventionen zur Verringerung der 球探足球比分h?ufigkeit, zeigt ebenfalls dieses Muster. Sie erkennen dies daran, dass die Growth Rate, also die Wachstumsrate pro Zeitschritt (Tick), mit einigen kleineren Ausschl?gen relativ konstant ist. Dies gilt bis zu einer Durchseuchung von ca. der H?lfte der Population. Dass sich die weitere Ausbreitung bei h?herer Durchseuchung verlangsamt, liegt an der sich aufbauenden Herdenimmunit?t. Dieses Ph?nomen l?sst sich im Modell aufgrund der geringen Populationsgr??e bereits vergleichsweise früh beobachten, zeigt sich jedoch bei Ausbreitungswellen generell auch in der Realit?t und ist entsprechend für CoViD-19 ebenfalls zu erwarten, falls die Ausbreitung weit genug voranschreitet.

Die Bandbreite m?glicher politischer Ma?nahmen zur Verlangsamung und Abmilderung der Infektionswelle (“Verflachung der Kurve”) ist gro?. Wir k?nnen hier nur einen Ausschnitt m?glicher Ma?nahmen diskutieren:

Zun?chst bietet sich als eine Policy-Ma?nahme Social Distancing der Gesamtbev?lkerung an. Im Modell zeigt sich, dass schon eine Beteiligung der H?lfte der Individuen im Modell einen merklichen Effekt auf die Infektionszahl und -geschwindigkeit hat. Damit aber in unserem Modell die Bemühungen zur Entlastung der Krankenh?user ausreichen, w?re die Compliance von 80% der Bev?lkerung n?tig. Inwieweit eine so hohe Compliance m?glich ist, ist schwer einzusch?tzen. Dafür ist nicht nur die Frage der individuellen Motivation zu beachten. Eine Grundmenge sozialer Interaktion wird z.B. im Kontext systemrelevanter Berufe immer gegeben sein, bei denen eine entsprechende 球探足球比分reduktion kaum m?glich ist.

Alternativ k?nnte man auch spezifischere Ma?nahmen formulieren und ein striktes Distancing nur von denen fordern, die Symptome aufweisen. Dies allein ohne Mitwirkung der Allgemeinbev?lkerung h?tte jedoch nur einen vernachl?ssigbar kleinen Einfluss auf das Infektionsgeschehen. Schlie?lich k?nnten Erkrankte in der Simulation trotz Distancings noch Mitmenschen anstecken, die sich uneingeschr?nkt bewegen. (Hier k?nnte insofern ein relevanter Unterschied zur empirischen Situation vorliegen, als dass in der Realit?t bereits einseitige Distanzierung die M?glichkeit einer Weitergabe des Virus unterbinden oder zumindest einschr?nken k?nnte.) Eine Kombination beider Ma?nahmen würde die Effektivit?t jedoch deutlich erh?hen. Um die gleichen positiven Effekte zu erreichen wie im Fall einer 80% Compliance würde es hier ausreichen, wenn die symptomatisch Erkrankten konsequent zu ihren Mitbürgern Abstand halten und sich darüber hinaus 60% der Grundgesamtheit am social distancing beteiligen würden.

Schlie?lich kann das Modell auch durchspielen, welche Auswirkungen die Ma?nahme strikte Quarant?ne h?tte, wenn diese nicht nur bei schweren Krankheitsverl?ufen mit Aufenthalt im Krankenhaus, sondern auch bei Personen durchgesetzt würde, die nur leichte Symptome zeigen. Im Unterschied zum einfachen Abstandhalten wird hier eine Ansteckung zuverl?ssig verhindert, weil die Erkrankten keinerlei 球探足球比分e ohne umfassende Schutzma?nahmen mehr haben. Eine Infektionsgefahr geht in diesem Szenario also ausschlie?lich von Kranken, aber (evtl. noch) symptomfreien Personen aus. Diese verhalten sich genauso wie im Szenario ohne Intervention und k?nnen daher weiterhin andere Personen anstecken.

?berraschenderweise zeigt sich hier, dass eine solche Quarant?nema?nahme im Modell in etwa so effektiv ist wie Social Distancing bei 80% Compliance. Allerdings muss hier berücksichtigt werden, dass unser Modell den Effekt von Social Distancing m?glicherweise untersch?tzt, da diejenigen, die sich an Distancing halten, weiter ungebremst von denen, die sich normal bewegen, angesteckt werden k?nnen. In der Realit?t ist zu erwarten, dass die Selbst-Distanzierung zu einem geringeren allgemeinen Risiko, von anderen angesteckt zu werden, führt. Mit den verwendeten Modellparameter k?nnte jedoch “strikte Quarant?ne” reichen, um die Ansteckungswelle so weit abzuschw?chen, dass das Gesundheitssystem nicht überlastet würde. Der Dehnungseffekt (Abflachen der Kurve) stellt sich dabei im Modell sogar gr??er dar als der durch Social Distancing, was sich sowohl als vorteilhaft erweisen kann, da das Gesundheitssystem so noch besser entlastet werden kann, aber andererseits auch einen Effizienznachteil der Ma?nahme bedeutet, weil sich die Zeit bis zum Abflauen der Epidemie verl?ngert. Au?erdem nimmt das Modell strikte Compliance aller Menschen mit Symptomen an. Voraussetzung für das Gelingen dieses Ma?nahmenpakets ist daher nicht nur, dass sich niemand willentlich der Quarant?ne entzieht. Darüber hinaus müssen die symptomatisch Erkrankten auch tats?chlich wissen, dass sie an Covid-19 erkrankt sind und ihre Symptome nicht auf eine andere Erkrankung zurückführen und sich in strikte Quarant?ne begeben. Ohne die Verfügbarkeit eines leicht zug?nglichen Tests müssten alle Personen mit relevanten Symptomen unabh?ngig davon, ob sie an Covid-19 erkrankt sind oder an alternativen Erkrankungen leiden, sich in Quarant?ne begeben. Sobald n?mlich der Anteil derer mit leichten Symptomen, die sich in Quarant?ne begeben, unter 90% f?llt, verliert die Ma?nahme, deutlich an Effektivit?t.

Im Folgenden finden sich die zentralen Ergebnisse in Grafiken zusammengefasst:

Keine Ma?nahme

 

Allgemeines Social Distancing (50% Compliance)

Allgemeines Social Distancing (80% Compliance)

Social Distancing von symptomatisch Erkrankten

Allgemeines Social Distancing (60% Compliance) und von symptomatisch Erkrankten

Quarant?ne symptomatisch Erkrankter (100% Compliance)

Lockerung von Einschr?nkungen, Smart Distancing und Nachverfolgung von 球探足球比分en

Zunehmend werden Fragen nach einem Ende des Social Distancing lauter und alternative, weniger restriktive Ma?nahmen zur Eind?mmung der CoViD-19-Verbreitung diskutiert, oftmals unter dem Label des Smart Distancing. Das Modell erlaubt es, auch solche Ma?nahmen durchzuspielen und im Hinblick auf ihre m?glichen Konsequenzen zu analysieren. Die Simulation kann dahingehend modifiziert werden, dass man unterschiedliche Ma?nahmen wie etwa Social Distancing (in Varianten mit unterschiedlich gro?en Teilen der Allgemeinbev?lkerung) mit Ma?nahmen wie Distancing und Quarant?ne von Erkrankten und/oder deren 球探足球比分personen kombiniert. Dabei l?sst sich auch jeweils die Robustheit der Ergebnisse für unterschiedliche Grade gesellschaftlicher Compliance kontrollieren. Verglichen mit der strengsten Ma?nahme (allgemeines Social Distancing und strikte Quarant?ne aller Erkrankten) führen alle Lockerungen zu einer st?rkeren Ausbreitung der Epidemie. Welche Ma?nahmen zur Eind?mmung ausreichend sind, h?ngt auch davon ab, welche Eind?mmung man als ausreichend beurteilt und welche weiteren sozialen, gesundheitliche oder ?konomische Ziele man verfolgt. Sie k?nnen daher unterschiedliche Ma?nahmenpakete selbst im Modell ausprobieren. Festzuhalten ist jedoch, dass ein Fokus ausschlie?lich auf CoViD-19-Erkrankte und deren unmittelbare 球探足球比分personen nur bei sehr hoher Compliance dieser Individuen ausreicht. Wie oben diskutiert, mag dies in der Realit?t schwierig zu erreichen sein. Daher sprechen die Ergebnisse der Simulation dafür, dass derartige Ma?nahmen immer auch durch breite Ans?tze in Form von Social Distancing bei einem Teil der Allgemeinbev?lkerung flankiert werden sollten.

Die Nachverfolgung von Ansteckungsketten und die Eind?mmung des Virus durch Social Distancing oder Quarant?ne von 球探足球比分en erkrankter Personen spielen bei der Bek?mpfung der Ausbreitung von CoViD-19 eine gro?e Rolle. Eine aktuell diskutierte M?glichkeit zur Ermittlung der 球探足球比分e erkrankter Personen w?re die mit Blick auf den Datenschutz m?glicherweise problematische personalisierte Auswertung von Mobilfunkdaten wie sie in China und teilweise auch in Südkorea praktiziert wird. Auch im Modell zeigt sich, dass es vorteilhaft ist, wenn nicht nur Erkrankte selbst unter Quarant?ne gestellt werden, sondern auch deren 球探足球比分e – oder diese 球探足球比分e zumindest angehalten werden, ihrerseits Sozialkontakte einzuschr?nken. Allerdings reicht es innerhalb der Simulation für eine wirksame Eind?mmung selbst dann aus, wenn nur ein Teil der 球探足球比分personen der Erkrankten erreicht wird. Dies ist bereits zum gegenw?rtigen Zeitpunkt und ohne die Nutzung von Mobilfunkdaten allein durch die Befragung erkrankter Personen m?glich. Eine Ausweitung der Ma?nahme auf alle 球探足球比分e der Erkrankten bringt zumindest im Modell keinen entscheidenden Mehrwert.

Ma?nahmenpaket aus allgemeinem Distancing (25% Compliance), Quarant?ne Erkrankter (75% Compliance) sowie Quarant?ne der 球探足球比分e Betroffener (25% Compliance) und deren Distancing (75% Compliance)

Unterschiedliche Testregimes und ihre Effekte

Schlie?lich wollen wir noch auf ein weiteres Problem zu sprechen kommen, dass in den Medien oft diskutiert wird. Es finden sich dort Berichte über gro?e nationale Unterschiede in der Mortalit?t von CoViD-19, etwa wenn man die Werte Chinas, Italiens, Spaniens und Deutschlands vergleicht. Empirisch ist es durchaus plausibel, dass qualitative Unterschiede etwa im Hinblick auf die Verfügbarkeit intensivmedizinischer Betreuung bestehen, und es daher zu tats?chlichen Unterschieden in der Mortalit?t zwischen L?ndern kommen kann. In der Simulation blenden wir diese Unterschiede jedoch aus. Stattdessen konzentrieren wir uns auf die Frage, wie sich nationale Unterschiede des Testregimes (gemeint ist damit die Art und Weise, wie in einem Staat getestet wird) auf die ermittelten Sterberaten auswirken.

Allgemein wird die Sterberate als Prozentwert angegeben, der die Zahl an einer Erkrankung gestorbenen Personen mit der Gesamtzahl der Erkrankten ins Verh?ltnis setzt:

Die Sterberate (S), hier von CoViD-19, ist definiert als die Zahl der durch die Erkrankung gestorbenen Patienten (x) dividiert durch die Zahl der Grundgesamtheit der erkrankten Personen (y), d.h. SCoViD-19= x/y. Dabei ist jedoch die zeitliche Dimension zu beachten. Die Todesrate sollte sich dabei auf die Grundgesamtheit zu dem Zeitpunkt beziehen, an dem die t?dlich erkrankte Person selbst infiziert wurde. Dies kann vernachl?ssigt werden, wenn die Wachstumsrate der Epidemie Null wird und damit die Grundgesamtheit stabil bleibt. Für unsere Simulation bedeutet das, dass die Todesrate in Abh?ngigkeit vom Testregime zum Zeitpunkt der Abbruchbedingung verwendet werden sollte. Die Votalit?t der Kurven (siehe unten) ist zurückzuführen auf die exponentielle Entwicklung von Z?hler und Nenner des Bruchwertes, wenn diese sich auf unterschiedliche Zeitpunkte beziehen und die Wachstumsrate zwischen diesen Zeitpunkten stark von Null abweicht.

Bei der Ermittlung der Sterberate k?nnen Unterschiede erstens daraus resultieren, wie die Zahl der durch eine Erkrankung gestorbenen Personen ermittelt wird. Es k?nnten hier beispielsweise all diejenigen Patienten gez?hlt werden, die gestorben sind und bei denen auch der Virus nachgewiesen wurden. Hier w?re der Nachweis des Virus bei Verstorbenen bereits ausreichend, um bei der Sterberate berücksichtigt zu werden, unabh?ngig davon CoViD-19 die tats?chliche Todesursache darstellte. Oder es werden stattdessen nur diejenigen Patienten gez?hlt, bei denen die Viruserkrankung tats?chlich Sterbeursache ist. Die Erkrankung mit CoViD-19 w?re dann sowohl die notwendige wie auch hinreichende Bedingung für den Tod des Patienten. Wir konzentrieren uns hier nur auf den letzteren Fall.

Für die IIlustration des Einflusses des Testregimes auf die Sterberate berücksichtigen wir in der Simulation also nur diejenigen F?llen, in denen die Viruserkrankung tats?chlich Sterbeursache ist. Damit sind aber noch nicht alle Unw?gbarkeiten beseitigt. Unsicherheit besteht auch hinsichtlich der Einsch?tzung der Grundgesamtheit der Erkrankten. Hier steht die empirische Erhebung der Sterberate vor dem Problem, die gro?e Dunkelziffer der Erkrankten zu übersehen, die durch das bestehende Testregime in einem Land nicht direkt erfasst werden.

Die folgende Grafik zeigt den Einfluss des Testregimes auf die jeweils erhobenen Todesraten für einen Standardverlauf unserer Simulation ohne nicht-pharmazeutische Interventionen:

Der hier pr?sentierte Chart ergibt beispielsweise für das Testregime, in dem die Grundgesamtheit nur über Tests in Krankenh?usern ermittelt wird, eine ermittelte Sterberate von knapp über 13%. Gleichzeitig würde bei gleichen Ausgangsvariablen und Verlauf der Simulation ein Testregime, das alle symptomatisch Erkrankten sowie ihre 球探足球比分e testet, auf eine Sterberate von unter 1% kommen. Dieser Wert entspricht ziemlich genau der tats?chlichen Sterberate in der Simulation. Fehler k?nnen bei diesem Testregime vor allen Dingen dann auftreten, wenn Infektionsketten von nicht-symptomatisch Erkrankten ausgehend entstehen, die weder als Erkrankte noch als 球探足球比分 eines Erkrankten erfasst werden k?nnen.

Schlie?lich ist zu bedenken, dass wir im Rahmen der Simulation keine Differenzierung nach Alterskohorten vorgenommen haben. Wir wissen jedoch aus empirischen Quellen, dass die Mortalit?t von CoViD-19 nicht über alle Altersgruppen hinweg konstant ist. Diesen Faktor haben wir jedoch in der Simulation ausgeblendet, so dass wir hier nur eine durchschnittliche Sterberate modellieren k?nnen.

Insgesamt gibt die Simulation jedoch Hinweise, dass die Testung aller Erkrankten und deren 球探足球比分personen eine geeignete Methode sein k?nnte, um die Grundgesamtheit der tats?chlich erkrankten Personen abzusch?tzen, wenn die M?glichkeit gro?fl?chig zu testen nicht gegeben ist.

Schlussfolgerungen

Unsere Simulation legt nahe, dass der politische Ma?nahmenkatalog, wie er aktuell in Deutschland eingesetzt wird, ein geeignetes Instrument zur Eind?mmung einer CoViD-19-Epidemie darstellen k?nnte. Die Simulation zeigt, dass eine hohe individuelle Compliance mit Social Distancing die dynamische Ausbreitung von CoViD-19 auf ein Niveau bremsen k?nnte, bei dem die vorhandenen intensivmedizinischen Kapazit?ten ausreichen würden. Zu diesem Ergebnis kommen wir, obwohl unsere Modellannahmen die Effektivit?t von Social Distancing als Ma?nahme sogar untersch?tzen: Wir nehmen in unserem Modell an (siehe Erl?uterung oben), dass sich Akteure bei jeder Begegnung mit einem infizierten Akteur infizieren. Allerdings ist davon auszugehen, dass im Modell nicht abgebildete Verhaltens?nderungen, die mit Social Distancing einhergehen (Abstand halten, Hygiene, Mundschutz, etc.), die Wahrscheinlichkeit einer Infektion bei der Begegnung mit einer infizierten Person reduzieren.

Auch eine strikte Quarant?ne der symptomatisch Erkrankten erscheint in unserem Modell als effektive Ma?nahme. Allerdings muss in diesem Fall beachtet werden, dass sich alle Akteure, auch die mit nur leichten Symptomen, strikt an die Quarant?ne halten müssten. Dies stellt diese Ma?nahme vor hohe Hürden, da das erforderliche Ma? an Compliance seitens der Infizierten sehr hoch erscheint. 

Eine Lockerung strikter Distanzierungsma?nahmen und eine Verlagerung auf Smart Distancing steigert unweigerlich die Verbreitung von CoViD-19. Dennoch erweisen sich je nach angestrebten Eind?mmungsziel (welches Level der Eind?mmung beispielsweise n?tig ist, um die Belastung des Gesundheitssystems zu reduzieren) einige Ma?nahmenpakete des Smart Distancing im Modell als ausreichend. Für diese Ma?nahmen müssen einige der 球探足球比分e von erkrankten Individuen unter Quarant?ne gestellt oder gebeten werden, sich zu distanzieren, aber es scheint nicht notwendig zu sein, alle oder einen hohen Prozentsatz dieser 球探足球比分e zu erreichen. Daher besteht vielleicht keine dringende Notwendigkeit für technische L?sungen (wie eine App), um die 球探足球比分e kranker Personen zu erkennen und zu benachrichtigen.

Generell stellt es einen zentralen Vorteil von Computersimulationen dar, dass man sie schnell und kostengünstig auf neue Fragestellungen spezifizieren und anpassen kann. Damit lassen sich dann bestimmte Aspekte im Detail untersuchen oder neu aufkommende Fragestellungen abbilden. Jedoch sollte bei der Interpretation der Simulationsergebnisse darauf geachtet werden, dass Simulationen auf Annahmen beruhen und diese empirisch ad?quat sein müssen. Dies betrifft natürlich medizinische und epidemologische Parameter, bei denen wir uns als Nicht-Mediziner lediglich auf aktuelle Literatur stützen k?nnen, aber auch Annahmen über das Verhalten von Individuen und deren Interaktion. Wir haben versucht, diese Annahmen im Text so transparent wie m?glich zu benennen, um m?gliche Schwachstellen offenzulegen. Simulationen bieten darüber hinaus die M?glichkeit, kritische Annahmen als Variablen zu modellieren, um so die Robustheit der Ergebnisse bei Varianz der Annahmen zu testen. Wir sind davon überzeugt, dass dieses Modell einen guten Ausgangspunkt darstellt, um solche Arbeiten systematisch durchzuführen, um Mechanismen der dynamischen Entwicklung von CoViD-19 besser zu verstehen und ad?quate Policy-Ma?nahmen zu formulieren.

Zum Weiterlesen

Bei Interesse gibt Ihnen der folgende Literaturhinweis einen Einblick in weitere Anwendungsm?glichkeiten und Limitationen von Simulationen:

Klein, Dominik, Marx, Johannes, und Fischbach, Kai (2018): Agent-Based Modeling in Social Science, History, and Philosophy. HSR. Vol. 43:1. pp. 234-258. https://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/56479

Es gibt bereits vereinzelt agentenbasierte Modelle, die sich mit der dynamischen Entwicklung von CoViD-19 auseinandersetzen.

Ein gut aufbereitete und leicht zug?ngliche Simulation zu diesem Thema findet sich auf der Seite des Bayerischen Rundfunks:
https://web.br.de/interaktiv/corona-simulation/

Auch der Artikel der Washington Post zu diesem Thema und die darin pr?sentierte Simulation bietet einen guten Einstieg:
https://www.washingtonpost.com/graphics/2020/world/corona-simulator/