Zur Architekturfarbigkeit
Zur Farbigkeit des gotischen Domes
Die Befunduntersuchungen im Zuge der letzten Restaurierung des Innenraumes 1986-1990 sowie der Au?enhaut des Regensburger Domes erbrachten ein reichhaltiges Bild von der Farbigkeit dieses Baus im Mittelalter wie auch in den nachfolgenden Epochen. Zusammen mit der Farbenpracht der Glasgem?lde, den bunt gefassten Skulpturen und Einrichtungsstücken hatte auch die Raumfarbigkeit ganz entscheidenden Anteil am Gesamterscheinungsbild des Innenraumes zur Zeit der Gotik.
Zur Farbigkeit der Architektur
Die farbliche Ausgestaltung war so eng an die bauliche Fertigstellung gekoppelt, dass mit dem schrittweisen Baufortgang auch eine schrittweise Ausmalung einherging. Als erster liturgisch nutzbarer Abschnitt des Domes wurde um 1290 die Raumschale des südlichen Nebenchors ausgemalt. Die aufgehenden W?nde blieben steinsichtig. Aufgrund der auffallend sorgf?ltigen Zurichtung der Werksteine mit exaktem Fugenschnitt und feiner Fugenverputzung ergaben sich homogene Oberfl?chen im milchigen Wei? des frischen Kalksteins. Die verschiedentlich eingestreuten Grünsandsteine wurden mit Kalktünche wei? ?retuschiert“. Diese Aussage basiert jedoch auf einer ?u?erst dürftigen Befundlage, da auch im Inneren des Domes die Sandsteinoberfl?chen teils betr?chtlich abgewittert und diese ?Kalkretuschen“ daher nahezu restlos verloren sind).
Die Gew?lbekappen trugen eine geschlossene Wei?tünche mit roten Sternen und farbigen Blüten um die Lüftungsl?cher. Die Gliederungselemente der Gew?lbe, das hei?t die Kreuzrippen, Gurtb?gen und Schildb?gen waren kontrastreich in Ziegelrot und wei?en Fugenstrichen bemalt sowie mit schwarzgrauen Begleitlinien gegen die Gew?lbefl?chen abgesetzt. Die Gew?lbeschlusssteine waren bunt gefasst und vergoldet. Kr?ftige Farbakzente setzten ferner auch die Anfangsstücke der Rippen um die Schlusssteine sowie in den Scheitelpunkten der Gurtb?gen. Diese strahlenf?rmigen Manschetten trugen bunte Marmormuster. Eine derartige Farbgebung war typisch für frühgotische R?ume.
Nachdem aber im Hochchor auf Betreiben eines neuen Baumeisters schrittweise ein grundlegender Systemwechsel in der Architektur vollzogen worden war, entschied man sich nun in Ab?nderung der Farbigkeit des Südchors für ein neues, ganzheitliches Farbkonzept. Auch künftig erfolgte die Ausmalung, allein der Standgerüste wegen, zumeist jochweise im Rhythmus des Baufortgangs, doch das Grundprinzip stand fest. Der gotische Innenraum sollte im Wesentlichen wei? erscheinen, bereichert durch zahlreiche Buntakzente an ausgew?hlten Stellen. Dieser Wechsel des Dekorationssystems von einer buntfarbig gepr?gten zu einer nahezu wei? erscheinenden Raumschale entspricht den Vorlieben der Zeit um 1300. W?nde und Pfeiler blieben nach wie vor steinsichtig, und das milde Wei? des Kalksteins wurde bewusst als Farbton eingebunden. In manchen Bereichen tragen die oberen Wandzonen eine Wei?tünche, vermutlich um Unsauberkeiten in den Steinoberfl?chen optisch zu bereinigen. Die Gew?lbekappen waren wei?, und buntfarbige Sterne umfingen die Lüftungsl?cher. Auch die Gew?lberippen wurden nun wei? getüncht, und man übermalte die vormals roten Rippen im Südchor. Die Schlusssteine und die Rippenanf?nger im Gew?lbescheitel erhielten eine farbkr?ftige Buntfassung mit Vergoldungen. Die überwiegend wei?e Raumschale des Domes war ein idealer Hintergrund, um die schmückende Festlichkeit und Leuchtkraft der bunten Farben umso wirkungsvoller zur Geltung zu bringen. Vor der wei?en Architektur erschien die farbige Glut in den Fenstern noch intensiver, und den farbig gefassten Heiligenfiguren bot der lichte Raum eine strahlende Bühne für ihren Auftritt. Obwohl aus irdischem Stein gemei?elt, lie? ihr kunstvolles Kleid aus Farbe und Licht sie als lebendige Gestalten des Himmels erscheinen.
Zur Farbigkeit der Skulpturen
Licht und leuchtende Farben geh?ren zu den zentralen Wesenselementen der gotischen Kathedrale; zum Folgenden allgemein: Assunto, Rosario: Zur Theorie des Sch?nen im Mittelalter, K?ln 1982. Zitate in diesem Zusammenhang sind ohne Einzelverweis lediglich in Anführungszeichen gesetzt.
Ebenso wie die bunten Glasfenster verstehen sich auch die farbig gefassten Skulpturen als lapides viventes, als lebendige Bausteine des irdischen Abbilds vom Himmlischen Jerusalem, das im Johannesevangelium euphorisch als Stadt mit leuchtenden Mauern aus Gold und Edelsteinen beschriebenen ist. Im Bewusstsein des Mittelalters ist Licht sichtbare Pr?senz Gottes. Die Farben wiederum sind sichtbares Zeichen für die Ingredienz von Licht in den Dingen. Farben sind ?K?rper gewordenes Licht“. Je mehr Anteil am Licht irdische Dinge aufweisen, desto h?her ist ihr Rang. Und nach dem Ideal der claritas (Thomas von Aquin) sind vor allem jene Dinge ?sch?n“, die starke, klare und leuchtende Farben haben. Die Lichthaltigkeit und die Leuchtkraft werden zum Gradmesser für Sch?nheit. Auf der untersten Stufe der Werteskala liegt der Stein, er kann kein Licht aufnehmen. Doch mit den Farben konnte man auch toten Stein mit Licht erfüllen, ihm edelsteinhafte Qualit?ten und damit Lebendigkeit einhauchen. Für die gotische Skulpturenfarbigkeit im Regensburger Dom darf man somit feststellen: Nach geltenden theologisch-?sthetischen Ma?st?ben des Mittelalters mussten die Figuren leuchtend bunt sein, nach den restauratorischen Befunden von heute waren sie es auch. Daran wird man sich freilich erst gew?hnen müssen, denn im allgemeinen Bewusstsein überwiegen nach wie vor klischeehafte Vorstellungen vom ?finsteren Mittelalter“.
Ein erkl?rtes Ziel des Forschungsprojektes ?Regensburger Dom“ ist es auch, dieses Umdenken zu f?rdern. Schon nach den ersten Ergebnissen der Untersuchungskampagne an den Skulpturen fiel die Entscheidung, bei der Dokumentation über die g?ngige Praxis einer lediglich schematischen Darstellung der Befunde deutlich hinaus zu gehen. Die Visualisierung der farbigen Fassung einer Skulptur sollte vielmehr auch den ?sthetischen Anspruch verfolgen, m?glichst viel von der künstlerischen Qualit?t des originalen Bildwerks in den Rekonstruktionsversuch hinüberzuretten, um so dem Kunstwerk als Zusammenklang von Material, Form und Farbe wenigstens ann?hernd gerecht zu werden. Versuchsreihen in verschiedenen künstlerischen Techniken auf Papier erbrachten nicht das gewünschte Ergebnis. V?llig neue Perspektiven er?ffneten sich in den 1990er Jahren mit den M?glichkeiten der elektronischen Bildverarbeitung am Computer. Als Pilotprojekt in Kooperation mit der HAWK Fachhochschule Hildesheim-Holzminden-G?ttingen wurden zun?chst Computersimulationen von der Ursprungsfassung der Verkündigungsgruppe des Erminoldmeisters erarbeitet; ausgeführt nach Vorgaben von Friedrich Fuchs durch Dipl. Designerin Martina Pohl und Prof. Dr. Christoph Gerlach, Professur für Baudenkmalpflege und historische Farbfassungen an der HAWK Fachhochschule Hildesheim-Holzminden-G?ttingen. Um auch in wirtschaftlicher Hinsicht Richtwerte zu erhalten, wurde daraufhin ein freiberuflicher Computergraphiker beauftragt, von der Erstfassung einer Petrusstatue des Domes ein Simulationsbild zu schaffen; ausgeführt in Zusammenarbeit von Friedrich Fuchs mit dem Maler und Computergraphiker Raoul Kaufer, Regensburg. Dieser sogenannte ?blaue Petrus“ wurde zur Titelfigur einer Ausstellung des Di?zesanmuseums anl?sslich des Papstbesuches in Regensburg 2006 und damit zum Wegbereiter eines F?rderprojekts der Regensburger Domstiftung mit dem Ziel, in gr??erem Umfang und auf der Basis neuester EDV-Verfahren weitere Simulationsbilder farbiger Fassungen der Domskulpturen, auch aus sp?teren Epochen, zu erarbeiten. Gef?rdert von der Domstiftung entstand an der Universit?t Bamberg ein zukunftsweisendes Kooperationsprojekt des Instituts für Arch?ologie, Denkmalkunde und Kunstgeschichte (Prof. Dr. Achim Hubel), des Lehrstuhls für Angewandte Informatik in den Kultur-, Geschichts- und Geowissenschaften (Prof. Dr. Christoph Schlieder / Dr. Klaus Stein) und Dr. Friedrich Fuchs (Di?zesanmuseum Regensburg).
Zur Farbigkeit des Domes in der Barockzeit
Ein Gem?lde von 1709 im Regensburger Domschatz zeigt den Innenraum des Domes in einer nahezu monochromen Ganzheitlichkeit mit grauer Architektur, goldenem Zierrat und wei?en Gew?lbefeldern. 1699 war diese Ausmalung durch den Dompropst Freiherr von W?mpel angeregt worden. Sie sollte die prim?r gelbocker/goldene Vorg?ngerfassung abl?sen, die zu Beginn des Jahrhunderts (1618 und 1639) Bischof Albert IV. von T?rring veranlasst hatte. Bis zur dieser Zeit hatte die mittelalterliche Raumfassung das Innere des Domes bestimmt und ein g?nzlich anderes Bild vor Augen gestellt, einen vom Farbnebel der Glasgem?lde erfüllten, lichten Raum mit kalksteinwei?er Architektur, partiellen Farb- und Goldakzenten im Gew?lbe und, was die Gesamtwirkung nachhaltig pr?gte, mit leuchtend bunt gefassten und vergoldeten Skulpturen.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die spannende Frage, welchen Stellenwert die Farbigkeit der Skulpturen im ?gelben Dom“ der 1630er Jahre, respektive im ?grauen Dom“ der Zeit um 1700 innehatte. Die sp?rlichen Quellen zu den beiden Raumfassungen im 17. Jahrhundert enthalten keine Angaben zur Farbigkeit der Skulpturen. Die restauratorischen Untersuchungen erbrachten hierzu allerdings ein erstaunlich klares Bild.
Im ?gelben Dom“ wurde den Figuren nach wie vor eine hohe Bedeutung zuerkannt. Im Zuge der gelben Raumfassung erhielten nahezu alle Bildwerke ebenso wie die Baldachinalt?re eine aufw?ndige Neufassung. Charakteristisch für das Farbkonzept des ?gelben Domes“ ist eine, gemessen am Mittelalter, sogar noch gesteigerte Buntfarbigkeit der Skulpturen, dies jedoch zu Lasten der früheren Feingliedrigkeit bei der Verteilung der Farbfl?chen. Vielfach wurden innerhalb einer Figur gr??ere Bereiche zusammengefasst und einheitlich mit einer kr?ftigen Buntfarbe belegt. Soweit man frühere Streumuster oder Lüsterdekore wiederholte, wurden diese gleichfalls summarischer angelegt. Was bei den gotischen Fassungen zeichnerisch exakt und farblich fein differenziert war, wurde nun in flotter malerischer Manier aufgebracht. Das neue ?sthetische Leitbild zielte auf eine gro?fl?chig plakative und somit ganzheitlich fernwirksame Farbgebung. Indirekt best?tigt sich dies bei den ganz wenigen Figuren, die in der Phase des ?gelben Domes“ keine Neufassung erhielten, so etwa beim ?blauen Petrus“. Dessen gotische Erstfassung konnte mit ihrer intensiven, gro?fl?chigen Blauf?rbung der Gew?nder den neuen Vorstellungen bestens gerecht werden und machte somit eine Neufassung unn?tig.
Bei der Figur der Petronella indes unterblieb eine Neufassung aus ganz anderen Gründen. Die Statue war durch liturgisch bedingte Umversetzung der zu ihrem inhaltlichen Verst?ndnis entscheidenden Pendantfiguren so sehr ins Abseits geraten, dass sie offenbar schon damals kaum mehr wahrgenommen und daher auch in das neue Farbkonzept nicht einbezogen wurde.
Insgesamt also standen auch im ?gelben Dom“ des frühen 17. Jahrhunderts die Skulpturen mit ihrer au?erordentlichen Buntfarbigkeit in einem spannungsvollen 球探足球比分dialog mit dem monochromen Hintergrund der gelbockrigen Raumschale.
Ganz anders beim ?grauen Dom“ um 1700. Auf dem Domgem?lde von 1709 wird zumindest deutlich, dass sich die wenigen sichtbaren Figuren farblich nicht sonderlich von der Hintergrundarchitektur abheben. Dies best?tigten im Wesentlichen auch die restauratorischen Befunde. Der grauen Domfassung um 1700 liegt unverkennbar die Absicht zugrunde, die frühere Buntfarbigkeit zu eliminieren und dem Raum stattdessen ein durchgehend olivgraues, partiell mit Gold akzentuiertes Gewand überzustreifen. Auch die Skulpturen sollten dieser Tendenz nach einer Monochromisierung gehorchen. Hierbei wurde jedoch mit zweierlei Ma? gemessen. Die Heiligen an Standorten nahe dem liturgischen Zentrum des Domes, vorzugsweise im Umfeld der Vierung, wurden in gewissem Sinne besser behandelt als jene auf Pl?tzen weitab in der Peripherie. Bei der ersten Garnitur wurde Buntfarbigkeit nicht vollst?ndig eliminiert, aber auf Kleinbereiche beschr?nkt. Dazu z?hlen stark abged?mpfte T?nungen in Hautfarbe, Augenzeichnung, Lippenrot und Haaren, wie auch teils in den Attributen. Die Gewandungen hingegen sind streng monochromisiert, aber nicht olivgrau wie die Architektur, sondern in ged?mpftem Wei? mit goldenen S?umen. Damit standen die Figuren doch in einem gewissen 球探足球比分 zum Hintergrund, aber durch die weitgehende Vermeidung von Buntfarben in gewissem Sinne grisaillehaft Ton in Ton. Im Unterschied dazu wurden die Figuren in der Peripherie des liturgischen Geschehens konsequent als Bestandteile der Raumschale behandelt und in derselben Weise gefasst wie die Architektur, das hei?t monochrom olivgrau mit goldenen Akzentuierungen von Details wie Saumborten und sonstigem Zierat.
Der gotische ?blaue Petrus“ gelten, der im frühen 17. Jahrhundert unver?ndert bleiben konnte, mutierte und in der monochromisierenden Zweitfassung um 1700 zum ?wei?en Petrus“. Er stand um diese Zeit am nordwestlichen Vierungspfeiler, also an liturgisch vorrangigem Platz.
Eine breitere Palette der Wandlungen durchliefen die Reiter St. Georg und St. Martin an der inneren Westwand. Aus der feinteilig differenzierten, au?erordentlich dekorativen gotischen Fassung vor kalksteinwei?em Grund wurde im frühen 17. Jahrhundert eine ganzheitlich angelegte und wesentlich plakativ buntere Farbfassung.
Umso tiefgreifender ist der Unterschied zur Barockfassung um 1700, die den Reitern jegliche Buntfarbigkeit entzog und sie als schlichtes, monochromes Wandelement behandelte. Deutlicher k?nnte nicht werden, wie sehr mit den wechselnden Farbfassungen plastischer Bildwerke im Laufe der Jahrhunderte nicht nur ?sthetische, sondern in hohem Ma?e auch inhaltliche Aussagen einhergingen.