Dissertation Norbert Jung
Der Speyerer Weihbischof Andreas Seelmann (1732-1789) im Spannungsfeld von 'nachgeholter' Aufkl?rung und 'vorgezogener' Restauration, Mainz 2002, XVII, 1037 S., ISBN: 3-929135-37-X
Im Rahmen meiner Dissertation besch?ftige ich mich mit dem aus der Di?zese Bamberg stammenden sp?teren Weihbischof von Speyer Andreas Seelmann (1732 - 1789). Durch die Kl?rung der Frage, ob der Weihbischof lediglich von der "katholischen Aufkl?rung" (bzw. der Aufkl?rung im katholischen Deutschland) beeinflu?t war oder ob er selbst einen m?glicherweise wesentlichen Beitrag dazu leistete, soll der Standort Seelmanns innerhalb bzw. im Verh?ltnis zu dieser Str?mung bestimmt werden.
Andreas Seelmann wurde 1732 als Sohn einfacher Bauern im oberfr?nkischen Dorf Ebensfeld geboren. Seine philosophische und theologische Ausbildung absolvierte er von 1743 bis 1754 an der Akademie der Jesuiten in Bamberg. Anschlie?end wurde er für ein Jahrzehnt Hofpageninstruktor am Hof des Fürstbischofs von Bamberg, nebenbei unterrichtete er im Stadtpalais der Grafen von Rotenhan. Dieses Haus war damals Treffpunkt der geistigen Elite Bambergs. Er lernte in dieser Zeit den Grafen Wilhelm von Sickingen kennen, einen Neffen des Fürstbischofs Adam Friedrich von Seinsheim, und machte die Bekanntschaft der beiden Brüder und Domherren Franz Ludwig und Friedrich Karl Joseph von Erthal, die sp?ter beide in den Reichsepiskopat aufsteigen sollten. Zeitweise waren Michael Ignaz Schmidt, der "Geschichtsschreiber der Deutschen", sowie Johann Michael B?nike, der sp?tere Deputierte des Erzstifts Salzburg beim Emser Kongre?, Kollegen Seelmanns. Er nutzte die geistigen Anregungen aus diesen Kreisen sowie die Privatbibliothek des Hauses Rotenhan für seine Weiterbildung, wobei er sich als einer der ersten in Bamberg mit der Philosophie Wolffs auseinandersetzte und somit als einer der Wegbereiter der katholischen Aufkl?rung im Bistum angesehen werden mu?. Einige seiner Schüler erlangten sp?ter bedeutende Stellungen, so wurde z. B. Johann Christian von Waldenfels kurk?lnischer Konferenzminister. 1765 trat Seelmann eine Stelle als Kanonikus am Stift St. Gangolph an. Fast gleichzeitig wurde er zum Offizial ernannt, eine Stelle, die er bis zu seinem Weggang nach Speyer 1768 innehatte.
Der Speyerer Kardinal Franz Christoph Kardinal von Hutten, dessen Familie ebenfalls aus dem Fr?nkischen stammte, hatte damals einen Regenten für sein Priesterseminar in Bruchsal gesucht, wofür ihm aufgekl?rte Kreise aus dem Umfeld der Familie Rotenhan Seelmann vorgeschlagen hatten. Dieser machte sich sofort im Sinn einer gem??igten Aufkl?rung ans Werk und verdr?ngte die scholastische Lehrmethode der Jesuiten, die zeitlebens zu seinen Gegnern wurden. Seine Kenntnisse auf dem Gebiet des Kirchenrechts wurden weithin gesch?tzt, und es gelang ihm, durch seine Ideen eine ganze Generation der Speyerer Geistlichkeit zu pr?gen.
Nachdem er eine aufsehenerregende Trauerrede, in der er sein theologisches Programm darlegte, beim Begr?bnis des Kardinals 1770 gehalten hatte, war sein Ansehen im katholischen Deutschland so sehr gestiegen, da? er den weithin beachteten Antrittshirtenbrief des neuen Fürstbischofs Limburg-Styrum verfassen durfte und schlie?lich zum Weihbischof avancierte. Er wurde auch Dekan des Kollegiatstifts St. German in Speyer und konnte gleichzeitig seine Pr?bende bei St. Gangolph in Bamberg beibehalten, nachdem er in einem jahrelangen Proze?, der in seinen Ausl?ufern bis an die Kurie und an den Kaiserhof gelangt war, darum gek?mpft hatte. Im Zusammenhang mit der Aufhebung des Jesuitenordens erwarb er sich Verdienste im Hinblick auf die Verbesserung des Schulwesens, wobei er für die Verbreitung der Ideen Felbigers sorgte. Obwohl ihn die "Emmerichianer" als Professor des Kirchenrechts nach Mainz holen wollten, und Adam Friedrich von Seinsheim ihn als Weihbischof in Bamberg wünschte, blieb er in Speyer, wo er für etwa ein Jahrzehnt als Pr?ses des Generalvikariates die Geschicke der Di?zese an entscheidender Stelle mitbestimmte. Er wurde immer mehr zum Zentrum der Opposition gegen den autokratisch regierenden und theologisch konservativ denkenden Fürstbischof, der zunehmend unter den Einflu? der Exjesuiten geriet. Aufgrund von Auseinandersetzungen mit dem Fürstbischof und dessen Hinterm?nnern - Seelmann setzte sich für die gema?regelten Professoren Isenbiehl und Wiehrl ein und wurde des Febronianismus verd?chtigt - wurde er schlie?lich ins kirchenpolitische Abseits gestellt und beschr?nkte sich nur noch auf seine episkopalen Funktionen. Er starb am 8. Oktober 1789 in Speyer, betrauert von denjenigen kirchlichen Kreisen, die gehofft hatten, der Kirche würde noch vor dem bevorstehenden Umbruch der Anschlu? an die geistigen Str?mungen der Zeit gelingen.
Seelmann scheint als einer der ersten in Bamberg eine gem??igte Form der Frühaufkl?rung rezipiert zu haben. Seine Bedeutung liegt hier mehr in seiner Vorreiterrolle, wohl weniger in seinem eigenen Beitrag. Hier ist noch mehr als bisher danach zu fragen, unter welchen Voraussetzungen er sich in dieser Hinsicht bilden konnte, von wem er beeinflu?t wurde und wie sich die Wirkungsgeschichte darstellt. Auf die allein schon r?umliche N?he des Klosters Banz als eines Zentrums "katholischer Aufkl?rung" sowie der "Würzburger Schule" unter aufgeschlossenen Fürstbisch?fen sei hier nur andeutend erinnert.
Seine Verwicklungen in die Aff?ren um Isenbiehl und Wiehrl zeigen Seelmann auf dem H?hepunkt der theologischen Diskussion seiner Zeit. Insbesondere durch die Beleuchtung seiner Rolle in der Auseinandersetzung um Isenbiehls vielbeachtetes Werk "Neuer Versuch über die Weissagung vom Emmanuel", bei der Seelmann aus Speyerer Sicht der Hauptbeteiligte war, sind weiterführende Erkenntnisse über ihn selbst und sein Denken zu erwarten.
Das Thema bietet auch die Gelegenheit, einmal "Kirchengeschichte aus der zweiten Reihe" zu betrachten, denn nicht nur die Mitglieder aus den bekannten Familien des Adels, denen die führenden Posten in der Reichskirche sicher waren, sondern auch eher unbekannte Geistliche aus den unteren Volksschichten konnten wie im Fall Seelmanns ein Bistum oder bestimmt Vorstellungen der eigenen Zeit pr?gen. Es wird auch notwendig sein, die weitgehend unerforschte Geschichte der Kollegiatstifte jener Zeit zu beachten.
Die Rolle des Weihbischofs in der Kirche seiner Zeit fand bisher noch keine eingehende und umfassende Würdigung. Dieser Umstand macht es notwendig, umfangreiche Nachforschungen in Archiven des gesamten süddeutschen Raumes und darüber hinaus anzustellen.
Zum Autor
* Jahrgang 1967
* 1989-1991 Studium der Religionsp?dagogik und kirchlichen Bildungsarbeit
an der katholischen Universit?t Eichst?tt
* 1991-1996 Studium der katholischen Theologie an der Otto-Friedrich-Universit?t Bamberg
* 1993/94 Studienaufenthalt an der Jesuitenhochschule in Mexico City
* seit 1996 Promotionsstudium im Fach Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit
bei Prof. Dr. Ernst Ludwig Grasmück am Lehrstuhl für Kirchengeschichte der Fakult?t Katholische Theologie in Bamberg
* Priester der Erzdi?zese Bamberg
E-Mail: NorbertJung(at)web.de