Stuck und Fliesen. Techniken und ?sthetik des Baudekors im Iran (11.-14. Jh.) aus arch?ometrischer und kunsthistorischer Sicht
Thema
Techniken und ?sthetik des Baudekors im mittelalterlichen Iran sind seit langem ein wichtiges Thema in der Islamischen Kunstgeschichte. Das Forschungsprojekt verfolgt einen neuen systematischen Ansatz, um zentrale Fragen auf diesem Gebiet zu bearbeiten. Mit Methoden der Kunstgeschichte und der Arch?ometrie sollen Informationen zu einer gr??eren Anzahl von Baudenkm?lern gesammelt und ausgewertet werden. Im Blickfeld stehen Bauwerke, die im 11.-14. Jahrhundert (unter der Herrschaft der Seldschuken und der Ilchane) errichtet oder ausgeschmückt wurden.
Stuck, Fliesen und Wandmalereien sind auf religi?sen und profanen Bauwerken gleicherma?en zu finden: Moscheen und Mausoleen, Pal?ste und Karawanserails sind damit dekoriert. Wenn auch die Ursprünge der Dynastien der Seldschuken und der Ilchane au?erhalb Irans lagen, so stützen sie ihre Herrschaft doch auf eine Infrastruktur, die im Iran – und damit in den islamischen Kulturen des Vorderen Orients – verwurzelt war. Kunst und materielle Kultur Irans in dieser Zeit entwickelten sich also aus einem gemeinsamen islamisch-iranischen Erbe. Unter beiden Dynastien konnten sich Kunst, Handwerk und Architektur reich entwickeln. Die mongolische Eroberung Irans, aus der die Ilchan-Herrschaft hervorging, wird oftmals als ein historischer Bruch dargestellt Jedoch fand die materielle Kultur des seldschukischen Iran ihre Fortsetzung unter den Ilchanen. Sie wurde nicht nur durch die Aktivit?ten der eingewanderten Herrscher gepr?gt, sondern ebenso durch einheimische Traditionen und durch die politischen Anliegen der lokalen iranischen Eliten.

Ziele des Forschungsprojekts
Das Hauptziel des Projekts besteht darin, die ?sthetik zu verstehen, die dem Baudekor der Seldschuken- und Ilchanzeit zugrunde lag. Vorausgesetzt wird, dass diese Oberfl?chendekorationen nicht nur einfach schmücken sollten, sondern klare Funktionen erfüllten, indem bestimmte Architekturelemente und Raumteile hervorgehoben wurden, um so beispielsweise die religi?se Bedeutung gebauter R?ume zu unterstreichen.
Eigenschaften von Funktion, Bedeutung, verfügbaren Materialien und künstlerischen Verfahren bestimmten die ?sthetik des Baudekors. Traditionen, in denen Künstler und Handwerker ausgebildet wurden, und ihre F?higkeiten zur Innovation, flossen in die Herstellung des Baudekors ein. Dabei stellen sich Fragen nach der Hierarchie zwischen verschiedenen Materialien und Medien, nach dem Verh?ltnis von ?sthetik, Funktion und der Rolle der Auftraggeber, vor allem aber nach den Methoden, mit denen die Dekorateure ihre Entwürfe gestalteten und ausführten.

Material, Methoden und Ergebnisse
Bauwerke in verschiedenen Regionen Irans wurden mit Blick auf Material und ?sthetik ihres überwiegend im Innern angebrachten Dekors untersucht. Die Feldforschung umfasste eine detaillierte Dokumentation und eingehende Untersuchung der historischen Kontexte in etwa einhundert Bauwerken und die Entnahme von Stuckproben aus etwa fünfzig Bauwerken, um Materialeigenschaften und Reste von Farbfassungen zu bestimmen. Die Ergebnisse arch?ometrischer Analysen werden mit Informationen aus schriftlichen Quellen und Inschriften zusammengebracht, um die ?sthetik des Dekors in einen historischen Kontext zu bringen.
Auf diese Weise werden regionale Eigenheiten, Charakteristiken von Werkst?tten und deren m?gliche Wanderungen, sowie die Herkunft von Materialien beleuchtet. Schlie?lich soll es m?glich werden, Grundlagen für die Datierung undatierter Stuckarbeiten zu liefern. Auf dieser Grundlage werden Funktion, ?sthetik und Bedeutung der Ensembles aus Stuck, Fliesen und Wandmalerei diskutiert.
Aus der Fülle neuer Erkenntnisse k?nnen hier beispielhaft einzelne Elemente genannt werden:
- Abgesehen vom Wandel der Einzelformen gegenüber der klassischen Abbasidenzeit ver?nderte sich im 11.-12. Jahrhundert auch das Gliederungssystem von Stuckdekor: Friese mit sich wiederholenden Motiven wurden unbedeutender, dagegen sind vermehrt Schriftb?nder mit verschiedenen epigraphischen Stilen (Kufi und Kursivschriften) zu sehen.
- Die Einführung neuer Architekturformen in der Seldschukenzeit mit gro?en überkuppelten Innenr?umen brachte neue Anforderungen an den Baudekor mit sich. Das Zusammenspiel von plastischem Stuckdekor mit Backsteinmustern wurde koh?rent entworfen und detailliert ausgearbeitet. Dabei wurde farbige Fassung gezielt und sparsam angebracht.
- Zu den technischen Innovationen, die sich w?hrend der Seldschuken- und Ilkhanzeit durchsetzten, geh?rt die Verwendung von ga?-i ku?ta, w?hrend des Abbindens stark durchgekneteter Gips, der sich für die Modellierung feiner Oberfl?chenstrukturen und als ?berzug eignet.
- Inschriften im Stuckdekor wurden teilweise mit Schablonen vorbereitet, h?ufig jedoch auch unmittelbar auf der Stuckoberfl?che entworfen und vorgezeichnet. Dies kann aus Arbeitsspuren und anderen Merkmalen der Inschriften im Stuckdekor der Ilkhanzeit geschlossen werden. Damit wird die bisher herrschende Meinung revidiert, dass kalligraphierte Inschriften in jedem Fall auf Papierschablonen vorgezeichnet und dann auf den Stuck übertragen wurden.
- Unter den Ilkhanen lassen sich Werkstatt-Zusammenh?nge zwischen verschiedenen Stuckdekor-Ensembles feststellen, die z. T. regional benachbart, teilweise aber auch weit entfernt voneinander lagen. Dem Gro?projekt des ?ljeitü-Mausoleums in Sultaniya kommt eine Schlüsselrolle in der Entwicklung neuer Dekorationsentwürfe und –techniken zu, die sich von hier verbreiteten. Ihre Nachfolge ist z. B. in mehreren reich dekorierten Bauten des 14. Jahrhunderts in der Stadt Yazd zu sehen.
- Zwischen der Seldschuken- und der Ilkhanzeit findet kein Bruch in den Formen und Techniken des Stuckdekors statt. Belegt wird dies unter anderem durch die Neudatierung der Gro?en Moschee von Farumad anhand von Inschriften im Stuckdekor in die Mitte des 13. Jahrhunderts, deren Dekorformen jedoch eine starke ?bereinstimmung mit Stuckdekorationen des 12. Jahrhunderts aufweisen. An anderen Stellen zeigt der Stuckdekor der Ilkhanzeit eine Tendenz zu gesteigerter Plastizit?t, die sich u. a. in der Anwendung mehrerer Lagen von geschnittenem Stuckrelief und in der Verwendung von aufmontierten Elementen zeigt.
- Bei den für die Farbfassung verwendeten Pigmenten zeichnet sich eine zunehmende ?konomisierung von Verfahren und Materialien ab. In Einzelf?llen k?nnen Schritte dieses Wandels eingegrenzt und datiert werden. So ist beispielsweise der weitgehende Verzicht auf Ultramarin (Lapislazuli) zugunsten von Azurit für intensive Blauf?rbung in die Zeit um 1300 zu datieren.
Ergebnisse der Forschung k?nnen für die Konservierung besch?digter oder gef?hrdeter Baudenkm?ler genutzt werden. Beispiele sind die Moscheen von Haftshuya, Gar und Afin oder das Karwanserail von Ribat-i Mahi.
Mit der Forschung wird ein umfassenderes Verst?ndnis von Bauwerken des mittelalterlichen Iran m?glich. Der interdisziplin?re Ansatz verbindet Arch?ologie, Restaurierungswissenschaften und Kunstgeschichte.

Publikationen
(Studierendenkanzlei)
https://mailex.uni-bamberg.de
https://o365.uni-bamberg.de