Euskal herrira bidaia - Exkursion ins Baskenland
3. Tag - Donibane Garazi (02.09.2012)
? für Text und Bilder: Prof. Dr. Hans-Ingo Radatz
Auch die Herberge der Studentengruppe hat einen Namen: Sie hei?t Olagibel - ein sprechender Name, der sowiel wie "hinter der Schmiede" bedeutet.
Nach der zweit?gigen Anreise verliert die Gruppe vor Ort keine Zeit und so gibt schon früh am Morgen die Vorbesprechung für den Tagesausflug.
Tagesziel ist der mitten in den Pyren?en gelegene Pilgerort Donibane Garazi (= Don Ivan in der Landschaft Garazi, wobei der geheimnisvolle Don Ivan aus lat. Dominus Iohannes niemand anders als der heilige Johannes ist), auf Franz?sisch Saint-Jean-Pied-de-Port.
Der Ort dient uns als Ausgangs- und Endpunkt einer Bergwanderung und damit zugleich an die eigentlichen Wurzeln der baskischen Kultur, die traditionell nicht st?dtisch gepr?gt ist, sondern deren Keimzelle vielmehr das Gro?familienhaus war.
An den H?usernamen und sonstigen Toponymen wird eindrucksvoll deutlich, dass der franz?sische Staat und die franz?sische Sprache hiererst vor Kurzem Fu? gefasst haben und dass die gesamt Landschaft durch und durch baskisch gepr?gt ist.
Nach der langen Anreise ist die weite der Pyren?enlandschaft eine Erholung für die Sinne.
Urlaubslethargie kommt allerdings nicht auf, denn für den Nachmittag ist noch eine weitere Erkundung angesetzt: Mit den beiden Mercedes-Bussen geht es nun h?her hinauf in die Pyren?en und damit ins benachbarte Navarra. Wir bleiben dabei im baskischen Sprachgebiet, überqueren allerdings die franz?sisch-spanische Staatsgrenze. Angesichts der Landschafts- und Stra?enverh?ltnisse ger?t diese Staatsgrenze allerdings eher in den Hintergrund unserer Aufmerksamkeit.
Hier überqueren wir den Iba?eta-Pass, um das Tal von Orreaga zu besuchen, das unter seinem romanischen Namen Roncesvalles / Ronceveaux in die (Literatur-)Geschichte eingegangen ist.
In Orreaga fand im Jahre 778 die berühmte Schlacht von Roncesvalles statt, in deren Verlauf die Nachhut des heimw?rtsziehenden Frankenheers unter Karl dem Gro?en von baskischen Partisanen aufgerieben wurde. Dieser Angriff war keineswegs ein unprovozierter Akt der Agression durch "unzivilisierte Bergv?lker". Das fr?nkische Heer hatte auf dem Hinweg die navarresische Hauptsstadt Iru?ea (= Pamplona) in Schutt und Asche gelegt und konnte daher auf dem Rückweg schwerlich auf gastliche Aufnahme hoffen.
Ins kollektive Ged?chtnis Europas hat sich die Schlacht von Roncesvalles durch ihre literarische Verarbeitung im alt-anglonormannischen Rolandslied eingepr?gt. Das Konzept "Basken" war allerdings schon damals wenig bekannt und der Autor machte die baskischen Angreifer daher zu maurischen Heiden (und multiplizierte ihre Anzahl zudem mit dem Faktor 100 ...).
Kulturwissenschaftlich hochinteressant ist in diesem Zusammenhang der Gedenkstein, der am Mirador de Iba?eta anl?sslich dieser Schlacht errichtet wurde: Bei unserem Besuch fanden wir n?mlich die ursprüngliche Widmung nicht mehr vor, sondern standen vor einem besch?digten, nackten Gedenkstein. Welche ideologische Auseinandersetzung verbirgt sich dahinter?
Der ursprüngliche Gedenkstein hatte nicht nicht etwa, wie man normalerweise erwarten würde, den Standpunkt der siegreichen Einheimischen eingenommen, sondern vielmehr den der Invasoren: Die Widmung richtete sich n?mlich an Roland, den sagenhaften Schwestersohn Karls des Gro?en, unter dessen Führung die fr?nkische Nachhut unterging. Sein Name erschien zudem auf Spanisch als Roldán. Von Basken oder Navarresen kein Wort ...
Baskische Nationalisten haben dieses Symbol so verstanden, wie es gemeint war: n?mlich als Affirmation des spanischen Staates, dass man aus gesamtspanischer Perspektive im Zweifel einem romanischen Helden n?her steht, als den st?rrischen Basken mit ihrer exotischen Sprache. Diese Sichtweise wollten sich einige zornige Navarresen auf ihrem eigenen Territorium nicht zueigen machen.
Hinter dem Pass findet sich das Augustinerkloster von Orreaga (1132), das zugleich Grablege der navarresischen K?nige und eine wichtige Station des Jakobswegs ist.