NEUERSCHEINUNG: Hans-Ingo Radatz (2024): Vicent Andrés Estellés - Hotel Paris

Ein Jahr nach der Publikation der gro?en Ausias-March-Anthologie pr?sentiert das Internationale Institut für Iberische Studien IIIS (Bamberg / Alacant) eine neue ?bersetzung eines Klassikers der valencianischen Literatur.

Vicent Andrés Estellés gilt als der bedeutenste valencianische Lyriker des 20. Jahrhunderts, wobei sein Erfolg nicht nur auf den hermetischen Zirkeln des professionellen Literaturbetriebs beruht; als nach dem Tod Francos in der jungen spanischen Demokratie alte Kultursprachen wie das Katalanische endlich nicht mehr aus dem Kulturleben ausgeschlossen waren, begann im Land Valencia eine Wiederentdeckung der eigenen Sprache, Kultur und Geschichte. Estellés wurde mit seiner zugleich umgangssprachlichen und klassisch geformten, oft frechen, aber immer menschlichen, Lyrik zur literarischen Identifikationsfigur dieser Bewegung, dessen Verse oft von rebellischen Jugendlichen an die W?nde Valencias gesprüht wurden.

Das hier übersetzte Werk ist ein Zyklus aus 22 Gedichten, die, sorgf?ltig aufeinander abgestimmt, wie die Szenen eines experimentellen Schwarzwei?-Films der 50er Jahre zu lesen sind. Das Hotel París des Titels ist dabei ein Stundenhotel im verruchten Barrio Chino in Barcelona, in dem sich, als Chronotopos, die Geschicke von Menschen überkreuzen. Dieses schmierige Hotel wird dabei zur Metapher auf das gesamte Franco-Spanien mit seiner Armut, moralischen Verlogenheit und allgemeinen Erb?rmlichkeit. Ein wichtiges Thema des Zyklus ist aber wohl die Stellung der Frau in diesem System. Frauen erscheinen hier als wehrlose Objekte rücksichtsloser M?nner, als Ware angepriesene Huren - aber auch als Ehefrauen, die v?llig auf ihre M?nner fixiert sind. Doch auch die M?nner sind hier letztlich Opfer. Dass eine weniger verlogene und entfremdete Welt auch m?glich sein kann, blitzt in den Szenen auf, in denen das Heimatdorf als Gegenbild erscheint: kurze Kameraschwenks auf eine alternative Welt.

Als Künstler, dessen Arbeitsmittel die (katalanische) Sprache ist, war Estellés internationale Projektion bislang gering - anders als die der bildenden Künstler seiner Generation wie Joan Miró, Antoni Tàpies oder Salvador Dalí, deren Ausdrucksmittel universal verst?ndlich sind. Es ist aber genau dieser Kreis katalanischer Künstler, in die sein Werk eingeordnet werden sollte. Die vorliegende Ausgabe und ?bersetzung entstand im Rahmen des "A?o Estellés", das die Diputació de València und das spanische Kultusministerium anl?sslich des hundertsten Geburtstags des Dichters für 2024 ausgerufen haben; die deutsche Ausgabe erscheint parallel zur englischen ?bersetzung von Dominic Keown von der Universit?t Cambridge. Die Publikation erscheint in Zusammenarbeit mit dem Forschungsnetzwerk IVITRA (Institut Virtual Internacional de Traducció) unter der Leitung unseres alacantinischen Kollegen Prof. Dr. Dr. Vicent Martines.

Hier geht es zur Webseite des spanischen Kultusministeriums(20.8 KB).

Und hier zur Open-Access-Version des Buchs(266.1 KB).