Prof. Bedford-Strohm bei der 9. Vollversammlung des Weltkirchenrates in Porto Alegre
In einem Interview mit Johannes Heger spricht Prof. Bedford-Strohm über die gro?en Herausforderungen der Zukunft, die auf der ?kumenischen Vollversammlung zum Thema wurden. (Uni Bamberg News vom 28.02.06)
Die Dokumente, die auf der Vollversammlung des ?RK in Porto Alegre verabschiedet und diskutiert wurden, finden Sie übrigens auf der Homepage der Vollversammlung (externer link).
Das von Edwin Hassink gestaltete Logo der 9. Vollversammlung zeigt: die Hand Gottes, die Taube des Heiligen Geistes, einen ?lzweig (als Zeichen der Sch?pfung und des Kreuzes Christi) und den Regenbogen (als Zeichen für Gottes Bund mit Noah). Es soll ein Zeichen der christlichen Hoffnung für die Welt sein (mehr Informationen dazu).
Herr Bedford-Strohm, k?nnen Sie für uns kurz zusammenfassen, worum es sich bei diesem Ereignis handelt und wieso dieser Vollversammlung eine so gro?e Bedeutung zukommt?
Die Vollversammlung ist insofern so etwas wie ein kirchengeschichtliches Ereignis, weil sie nur alle sieben, beziehungsweise acht Jahre stattfindet und Delegierte aus 347 Mitgliedskirchen und Beobachter, zum Beispiel aus den Reihen der katholischen Kirche, aus aller Welt zusammenführt. Hier kommt zum Ausdruck, was diese Kirchen aus aller Welt bewegt und es wird mitgepr?gt, was sie in den n?chsten Jahren als ihre entscheidenden Aufgaben ansehen. Dieses Jahr war die Vollversammlung ganz besonders von jungen Delegierten gepr?gt, die immer wieder ermutigt wurden, sich an den Diskussionen zu beteiligen.
Was ist Ihre eigene Rolle bei der Vollversammlung?
Ich bin vom Genfer Stab des Weltkirchenrats eingeladen worden, in mehreren Foren das Dokument, das wir in den letzten Jahren in einer internationalen ?kumenischen Arbeitsgruppe zu den neuen Biotechnologien erarbeitet haben, in die Debatte einzubringen.
Der Umgang mit den neuen Biotechnologien betrifft die tiefsten Grundlagen unseres Menschenbildes – ganz bestimmt eine der Herausforderungen für die zukünftige Arbeit!
Welchen Aufgaben hat sich die Versammlung zu stellen, in welchen Bereichen sehen Sie ihre Schwerpunkte?
Ich sehe vor allem vier Aufgaben. Erstens: Wie gehen wir mit der religi?sen Pluralit?t so um, dass die Religionen zwar durchaus leidenschaftlich in ihren jeweiligen Traditionen leben und für sie eintreten, aber sich gleichzeitig gegenseitig achten? Wie wichtig der interreligi?se Dialog ist, zeigen die Ereignisse um die Mohammed-Karikaturen. Zweitens: Die ?berwindung der Gewalt. Der Weltkirchenrat hat die erste Dekade in diesem Jahrtausend unter dieses Motto ??berwindung der Gewalt“ gestellt. In Porto Alegre wurden Projekte aus aller Welt vorgestellt, die zeigen: Es gibt keinen Grund zur Hoffnungslosigkeit. Wo der Wille da ist, Gewalt im Kleinen und im Gro?en zu überwinden, da er?ffnen sich auch Wege. Drittens: Die Einheit der Kirchen. Wie kann diese Einheit auch jenseits eines solchen Gro?ereignisses Wirklichkeit werden und damit auch Zeichen für die Einheit der Menschheit sein? Und schlie?lich viertens: Wie kann diese Einheit der Menschheit sich in einer Neuorientierung der wirtschaftlichen Globalisierung zeigen?
Was meinen Sie mit ?Neuorientierung der wirtschaftlichen Globalisierung“?
Das war, jedenfalls unter den ethischen Fragen, wahrscheinlich das brisanteste Thema der Versammlung. In dem vom EKD-Ratsvorsitzenden Bischof Wolfgang Huber moderierten Plenum zur Globalisierung sind heftige Emotionen aufgebrochen. Viele Vertreter der Mitgliedskirchen aus den L?ndern der Südhalbkugel sehen die Globalisierung als ein Machtinstrument der reichen L?nder, das den Reichtum der Reichen vergr??ert und die Armut in der Welt versch?rft.
Die Debatte ist so emotional, weil diesen Kirchen das wirtschaftliche Elend jeden Tag direkt vor Augen steht. Sie erleben das wirtschaftliche Engagement der gro?en westlichen Konzerne überhaupt nicht als entwicklungsf?rdernd, sie sehen es als Bedrohung. Wir aus dem Norden pl?dieren für eine differenziertere Sichtweise, die die Chancen und Risiken der Globalisierung im Hinblick auf die jeweiligen L?nder genau prüft und dann bewertet.
Bischof Huber hat es sch?n auf den Punkt gebracht: Es muss darum gehen, dass wir die biblische Option für die Armen und wirtschaftlichen Sachverstand sinnvoll aufeinander beziehen. Das muss die Debatte in den n?chsten Jahren bestimmen. Diese Debatte muss dringend auch bei uns geführt werden!
Auf S?kularit?t dr?ngende Kritiker würden der Kirche mit Sicherheit vorwerfen, sie beg?be sich hier in ein Feld - n?mlich das der Wirtschaft -, das nicht das ihre ist.
Die Kirchen sind nicht nur die Bisch?fe und Pfarrer. Die Kirche sind alle Menschen in ihren jeweiligen Berufsgruppen, die sich als Christinnen und Christen verstehen. Insofern haben wir jede Menge Sachkompetenz in unseren Reihen. Die Kirchen haben sogar eine ganz besondere Chance: Ich wüsste keine andere Gro?organisation, die einerseits so tief in den jeweiligen lokalen Kontexten verwurzelt ist, wie das bei der Kirche durch die Ortsgemeinden der Fall ist, und andererseits gleichzeitig weltweit organisiert ist und sich weltweit von der gleichen Grundlage her versteht. Die Kirchen erfahren die Auswirkungen der Globalisierung überall vor Ort und k?nnen sie in die weltweite zivilgesellschaftliche Debatte einspeisen. Das ist genau, was wir im Moment zur verantwortlichen Gestaltung der Globalisierung auch politisch am dringendsten brauchen.
Sie scheinen sehr angetan zu sein von der Versammlung. K?nnen Sie diese subjektive Empfindung bekr?ftigen?
Ich bin tats?chlich begeistert von dem, was ich erlebt habe. Die Offenheit, mit der die Menschen aus aller Welt sich begegneten, die Fr?hlichkeit und Glaubensgewissheit, die zu spüren war, aber gleichzeitig auch die Toleranz gegenüber dem, was einem erst einmal fremd erscheint, das alles gab einen Eindruck davon, wie die Welt sein k?nnte. Es war deswegen sehr ermutigend!
Lieber Herr Bedford-Strohm, ich danke Ihnen für das Gespr?ch!