Dr. Tristan Oestermann
Research Assistant
Aktuelles Forschungsprojekt
“Die Dekolonisierung des Chinins: Eine politische Geschichte der pharmazeutischen Industrie nach dem Ende der Imperien, 1945-1998”
Machtasymmetrien zwischen westlichen Pharmakonzernen und dem sogenannten ?Globalen Süden“ sowie deren gesundheitliche Folgen für gro?e Teile der Weltbev?lkerung sind immer wieder Thema in Diskussionen über weltweite Ungleichheit. Um viele Arzneimittel herzustellen, war und ist die Pharmaindustrie jedoch angewiesen auf Rohstoffe aus dem ?Globalen Süden“. Die Beziehung gestaltet sich folglich kontingenter: Machtasymmetrien zwischen Pharmaindustrie und ?Globalem Süden“ sind nicht selbstverst?ndlich, sondern erkl?rungsbedürftig. Anhand des als Malaria-, Herz- und Genussmittel genutzten Alkaloids Chinin und des zu seiner Herstellung n?tigen Rohstoffs Chinarinde schreibt das Projekt eine politische Geschichte der Pharmaindustrie im ?Globalen Süden“ im Zeitalter der Dekolonisierung. Es analysiert die Beziehungen Indonesiens und der Demokratischen Republik Kongo (bzw. Zaires), der gr??ten Produzenten von Chinarinde, zu den europ?ischen Chininherstellern. Infolge der Dekolonisierung brachen die kolonialen, von einem Kartell aus Pharma- und Plantagenunternehmen beherrschten Produktions-, Distributions- und Konsumstrukturen von Chinin zusammen: Das Alkaloid und die Stellung europ?ischer Pharmakonzerne wurden Objekte von Aushandlungsprozessen zwischen einer Vielzahl von Akteurinnen und Akteuren. Das Projekt untersucht, warum europ?ische Pharmaunternehmen in diesem Prozess ihren Platz im Chiningesch?ft behaupten konnten, obwohl Kongo/Zaire und Indonesien de facto ein Monopol auf Chinarinde besa?en. Damit leistet das Projekt einen Beitrag zur bisher wenig empirisch erforschten Geschichte westlicher Unternehmen in der postkolonialen Welt – und so zur Frage, wie sich globale Ungleichheiten nach dem Ende der Imperien fortschrieben. Dabei hinterfragt das Projekt das dichotome Narrativ von m?chtigen Pharmakonzernen und ohnm?chtigem ?Globalen Süden“. Stattdessen macht es die vielen Produzent*innen globaler Ungleichheit nach dem Ende der Imperien sichtbar.