Infrarot-Thermographie als NDT in der Bauforschung (KDWT)


Leitung: Prof. Dr.-Ing. Stefan Breitling

Bearbeiterin: Anna Luib M.A.

Arbeitsbereich: Bauforschung und Baugeschichte des KDWT

Laufzeit: ab 2017

 

Ausgangslage Projekt

Das Prinzip der Infrarot-Thermografie als zerst?rungsfreies, kontaktloses Testverfahren wird schon seit mehreren Jahrzehnten angewendet. Thermokameras dokumentieren berührungslos die Oberfl?chentemperaturen von umliegenden Objekten, indem sie die Intensit?t der objektspezifischen elektromagnetischen Strahlung im Infrarotbereich darstellen. Diese für das menschliche Auge nicht mehr im sichtbaren Spektralbereich liegende Strahlung wird als Thermogramm in sichtbare Falschfarbendarstellungen umgewandelt, aus denen sich die gemessenen Temperaturdifferenzen auslesen lassen. Entsprechend k?nnen diese sogenannten Thermogramme unter Umst?nden Objekteigenschaften darstellen, die im Bereich des sichtbaren Lichtes und daher für das menschliche Auge verborgen bleiben.

Die Vorteile der Infrarot-Thermographie als zerst?rungsfreie Untersuchungsmethode (NDT) liegen auf der Hand: Der Einsatz von Infrarot erfolgt berührungslos, es ist kein 球探足球比分 zum Messobjekt n?tig. Dies erm?glicht Messungen an sehr empfindlichen sowie an schwer erreichbaren oder unzug?nglichen Objekten. Aufnahmen sind – ?hnlich der Photographie - in Abh?ngigkeit von der Aufl?sung der Thermogramme auch über weite Distanzen m?glich. Vor allem aber bleiben die Messungen absolut zerst?rungsfrei, es müssen weder Proben entnommen werden noch kommt es zu einer Wechselwirkung zwischen Messobjekt und Messger?t. Auch Material- bzw. Oberfl?chenver?nderungen infolge der Messprozesse sind auszuschlie?en. Die neue Generation der Infrarot-Sensoren zeichnet sich besonders durch eine hohe Sensitivit?t aus, sie verfügen über sehr gute Temperaturaufl?sungen und –messgenauigkeiten im Bereich weniger Zehntel Grad und sind so auch für die Untersuchung von Objekten mit geringen internen Temperaturdifferenzen geeignet. Darüber hinaus handelt es sich bei der Infrarot-Thermographie um ein bildgebendes NDT-Verfahren, das die gemessenen Daten unmittelbar und als fl?chenhafte Temperaturinformation in unterschiedlichen Darstellungsm?glichkeiten ausgeben kann. Diese Visualisierungen sind jederzeit reproduzierbar und k?nnen bereits vor Ort w?hrend der Messung ausgewertet werden. Weiterhin von gro?er Bedeutung ist die Geschwindigkeit des Messverfahrens. Thermographie-Kameras arbeiten innerhalb sehr kurzer Mess- und Ansprechzeiten, die Thermogramme sind ?hnlich wie in der Digital-Photographie sofort auswertbar, Sequenz-Aufnahmen k?nnen in Echtzeit eingesehen werden.

Die Infrarot-Thermographie ist ein universell anwendbares und für viele Fragestellungen hilfreiches Mess- und Dokumentationsverfahren. Zum Einsatz kommt dieses NDT-Verfahren vor allem in der Materialprüfung, der industriellen Fertigung und der Energietechnik. Im Geb?udebereich wird Infrarot-Thermographie überwiegend zur Kl?rung bauphysikalischer Fragestellungen eingesetzt. Die Lokalisierung und Evaluierung von W?rmeverlusten über Fassaden und D?cher, konstruktionsspezifische W?rmebrücken oder auch Zustand und Leistungsf?higkeit der W?rmed?mmungen stehen oft im Fokus solcher Untersuchungen. Weiterhing eignet sich die IRT gut zur Visualisierung der Feuchteverteilung in Bauteilen und zur Lokalisierung potentieller Schimmel- und Feuchtesch?den. Vor allem in der Schadensdokumentation und der Vorbereitung von energetischen Sanierungsma?nahmen hat sich die IRT als zerst?rungsfreies Prüfverfahren bew?hrt.


Problemstellung

In weitaus geringerem Ma? als in der Bauphysik wurde die IRT bisher zur Untersuchung historischer Geb?ude genutzt. Das Prinzip der Visualisierung elektromagnetischer Strahlung im Infrarotbereich eignet sich neben der grundlegenden Ablesbarkeit der Oberfl?chenw?rme-Verh?ltnisse aber durchaus zur Untersuchung weiterer Materialparameter. In Abh?ngigkeit der spezifischen Oberfl?chentemperatur k?nnen Aussagen über W?rmeleitf?higkeit, W?rmespeicherkapazit?t, Materialbeschaffenheit und Bauteil-Aufbau abgeleitet werden. Thermogramme bieten die M?glichkeit, Schlussfolgerungen über die Anordnung von einzelnen Bauteilen und ihren Anschlüssen sowie ganzer Konstruktionen ziehen, da das W?rmeverhalten an Material- und Bauteilüberg?ngen im Vergleich zum Bauteilinneren oft variiert.
Sobald ein Temperaturgef?lle zwischen Bauteilvorder- und Rückseite bzw. Anschluss besteht, kann das Verhalten der W?rmestr?me mit Hilfe einer Thermo-Kamera auf den Bauteiloberfl?chen abgelesen werden. Typischerweise entstehen diese Umgebungsbedingungen im Winter bei geringen Au?entemperaturen und vergleichsweise warmen, beheizten Innenr?umen oder auch bei intensiver, im Tagesverlauf variierender solarer Bestrahlung von Fassaden. Gibt es keine bauteilinternen Temperaturdifferenzen, beispielsweise bei gleichm??iger Temperaturverteilung im Innenbereich, kann ein Temperaturgef?lle erzeugt werden, indem die zu untersuchenden Objekte einseitig thermisch angeregt werden. Mithilfe dieser individuell steuerbaren Anregungsm?glichkeit l?sst sich die Infrarot-Thermographie für eine Vielzahl bauforscherischer Fragestellungen einsetzen. Vor allem im Bereich der zerst?rungsfreien Voruntersuchungen, bei Fassadendokumentationen, Konstruktions- und Gefügeanalysen, Baufugen und –anschlüssen oder auch im Fall nachtr?glich ver?nderter Bauteile kann die IRT zur Kl?rung beitragen. Darüber hinaus eignet sich das Verfahren zur Schadensanalyse und –dokumentation. Risse und Hohlstellen, Materialdegenerationen, Oberfl?chen-Ver?nderungen und Feuchte k?nnen unter entsprechenden Umgebungsbedingungen in Thermogrammen dargestellt werden.

Insgesamt ist die IRT ein vielseitig einsetzbares Prüf- und Dokumentationsinstrumentarium, das einen entscheidenden Mehrwert in den Kanon bauforscherischer Analyseverfahren bringen kann. Vor allem in der Kombination mit anderen, sich erg?nzenden, m?glichst zerst?rungsfreien Analysemethoden k?nnen so bauforscherische und denkmalpflegerische Fragestellungen umfassend untersucht und gekl?rt werden. Allerdings gibt es noch keine fl?chendeckend dargestellten oder umfassend einsehbaren Evaluationen dieses zerst?rungsfreien Prüfverfahrens in der Bauforschung. Auch allgemeingültige Erfahrungswerte und daraus ableitbare Standards sind kaum verfügbar.

Gleiches gilt auch für angrenzende Forschungsgebiete: In Arch?ologie, Kunstgeschichte und Restaurierungswissenschaften bietet sich die IRT ebenso als vielversprechende Untersuchungsmethode an, sowohl in der überblickhaften Analyse als auch bei der Kl?rung spezifischer Fragestellungen in Detailbereichen. Auch hier gibt es vielf?ltige Forschungsans?tze, aber noch vergleichsweise wenig verbindliche Handreichungen.


Aufgabe

Im Bereich der technischen Bauwerksanalyse sollen am KDWT die M?glichkeiten und Rahmenbedingungen für den Einsatz von Infrarot-Thermographie in Bauforschung, Restaurierungs- und Denkmalwissenschaften untersucht werden. Die IRT bietet als zerst?rungsfreies Untersuchungs- und Dokumentationsverfahren ein gro?es Potential für die Bamberger Denkmalwissenschaften. Dieses soll im Kontext der bestehenden Bauforschungs-Methodik evaluiert werden. In Erweiterung hierzu gilt es, befundorientierte Kombinationsm?glichkeiten verschiedener Untersuchungsverfahren mit der IRT auszuloten.


Methode und Einbindung, Vernetzung

Zun?chst soll die Bandbreite der untersuch- und dokumentierbaren Objekte und Fragestellungen ausgelotet werden, von überblicksartigen Voruntersuchungen bis hin zu detaillierten Objektanalysen. Dies umfasst einerseits die Aufarbeitung des aktuellen Forschungsstandes im Bereich der Infrarot-Thermographie in der Bauforschung und andererseits die Entwicklung eines eigenen Analyseprofils. Darauf aufbauend sollen verschiedene Bearbeitungstiefen und Detailgrade von Untersuchungsvarianten getestet werden. Anfangs wird vor allem objektspezifisch untersucht, mit zunehmenden Erfahrungswerten sollen auch objektunabh?ngige Untersuchungsstandards entwickelt werden. Parallel soll eine Evaluation der Rahmenbedingungen von IRT in der Bauforschung stattfinden, die unter anderem die Machbarkeit, das Verh?ltnis von Aufwand zu Aussagekraft der Untersuchungsergebnisse und das Potential thermografischer Messwerte darlegen soll. Erg?nzend zu dieser Standortbestimmung von Thermografie in der technischen Bauwerksanalyse und Bauforschung werden die Einsatzm?glichkeiten in angrenzenden Fachgebieten wie den Restaurierungswissenschaften, der Denkmaltechnologie und Arch?ologie erprobt. Darüber hinaus wird eine weitere wichtige Aufgabe darin bestehen, die Einbindung von IRT in die Methodik zerst?rungsfreier Prüfverfahren zu testen und vielversprechende Synergieeffekte von Untersuchungs- und Dokumentationstechniken herauszuarbeiten.


Projektziel

Ziel der Evaluation von thermographischen Untersuchungen am KDWT ist es, M?glichkeiten und Grenzen der Anwendung von Infraro??t-Thermographie im Bereich der Bauforschung, den Restaurierungswissenschaften und der digitalen Objekterfassung und Analyse auszuloten und in einen entsprechenden wissenschaftlichen Kontext zu setzen. Damit soll zum einen der Methoden-Kanon zur zerst?rungsfreien Erfassung, Analyse und Erschlie?ung komplexer Objekte der Bau- und Kunstdenkmalpflege erweitert werden. Andererseits zielen diese Untersuchungen darauf ab, digitale Darstellungs- und Dokumentationsmethoden weiterzuentwickeln und neue Kombinationsverfahren zu testen. Dabei soll es nicht nur bei konventionellen Fragestellungen zur Schadensanalyse bzw. Monitoring-M?glichkeiten bleiben, sondern vor allem auch um die Einsch?tzung und wissenschaftlich fundierte Darstellung technischer Geb?udeparameter und Bauwerksqualit?ten im Allgemeinen gehen.