Siedeln in dynamischen R?umen ? Neuenstadt am Kocher und die Civitas Aurelia G(...) als Modell für Urbanisationsprozesse in r?mischen Grenzzonen des 2. Jahrhunderts n. Chr. (DFG-Drittmittelprojekt 2022?2026)

Mit der r?mischen Stadtanlage von Neuenstadt am Kocher liegt eine der spektakul?rsten Neuentdeckungen aus der R?merzeit in Deutschland vor. Nun widmet sich ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Land Baden-Württemberg und der Universit?t Bamberg getragenes Forschungsprojekt diesem au?ergew?hnlichen arch?ologischen Kulturdenkmal, das dank einer kompletten Siedlungsverlagerung in nachr?mischer Zeit bis heute nicht überbaut wurde.

Das von der Professur für Arch?ologie der R?mischen Provinzen und dem Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg (LAD) durchgeführte Projekt befasst sich mit Urbanisierungsma?nahmen und damit in Zusammenhang stehenden Stadt-Umland-Beziehungen in Grenzzonen des Imperium Romanum. Ausgangspunkt ist die in den 1980er Jahren entdeckte, gut 25 Hektar gro?e, r?mische Stadtanlage bei Neuenstadt am Kocher (Landkreis Heilbronn, Gemarkungen Neuenstadt-Bürg und -Kochertürn). Mit seinen für Deutschland ausnehmend guten Erhaltungsbedingungen und dank der langj?hrigen forschungsorientierten Vorarbeiten durch das Landesamt für Denkmalpflege bietet der Platz ideale Voraussetzungen, um die Feldforschungen fragengeleitet fortzusetzen.
 
 

Systematische Luftbildprospektionen seit den sp?ten 1980er Jahren, geophysikalische Messungen und umfassende Ausgrabungen zwischen 2003 und 2013 brachten Strukturen einer ausgedehnten Siedlung mit zentral?rtlicher Funktion zutage (Abb. 2; 8). Angelegt hat man sie auf einem klimatisch und verkehrstechnisch begünstigten, terrassenartig gestuften Südhang am Kocher (ca. 182 m NHN).
 

Die Tatsache, dass mehrere, seit der Zeit um 1600 aus Neuenstadt und Umgebung bekannt gewordene Inschriften Amtstr?ger einer r?mischen Gebietsk?rperschaft mit dem bislang noch unvollst?ndigen Namen civitas Aurelia G(---) benennen, erlaubt den Schluss, die hinsichtlich ihrer Gr??e und baulichen Ausstattung in diesem Gebiet singul?re Stadtanlage bei Neuenstadt als Zentralort dieser civitas zu interpretieren. Die Lage von Neuenstadt in einem Gebietsstreifen, der erst mit der Vorverlegung der r?mischen Grenze um 155/160 n. Chr. Teil des Reichs wurde, weist ebenso wie die Bezeichnung der Verwaltungseinheit darauf hin, dass das Territorium erst erschlossen wurde, als mit Marcus Aurelius (Regierungszeit 161-180 n. Chr.) in Rom die Gens der Aurelii auf den Kaiserthron kam (Abb. 4). Der Eigenname des antiken Orts ist allerdings noch unbekannt.

Einen Schwerpunkt der Kooperation stellt zudem der monumentale Tempelbezirk des griechisch-r?mischen Gottes Apollo dar, der nach Aussage der in und im unmittelbaren Umfeld von Neuenstadt gefundenen Inschriften hier in einer Verschmelzung mit dem keltischen (Heil-)Gott Grannus verehrt wurde (Abb. 3). 

Bauten und Struktur der Siedlung

Die st?dtische Siedlung wurde nach Vorverlegung des Limes ex novo geschaffen. Sie liegt inmitten eines naturr?umlich begünstigen Territoriums, aus dem zahlreiche Gutsh?fe bekannt sind. Um das neuerschlossene Territorium m?glichst ohne gro?e zeitliche Verz?gerung nach r?mischen Prinzipien zu gestalten, engagierte sich vermutlich der r?mische Staat durch eine besondere Fürsorge, die u.a. in Form einer exzeptionellen baulichen und statuarischen Ausgestaltung des Stadtraums zum Ausdruck kommt. Dazu geh?ren unter anderem ein repr?sentativer Apsidenbau in prominenter Position an der h?chsten Stelle der Siedlung (Abb. 2, A; 5; 9; 12), ein monumentales Geb?ude mit zentralem Hof, das an Amts- oder Unterkunftsgeb?ude hoher r?mischer Amtstr?ger (praetoria) erinnert (Abb. 1; 2, D; 7; 13), aber auch die zerschlagenen Reste einer monumentalen Bronzestatue, m?glicherweise eines Kaiser- oder G?tterbildnisses, die in unmittelbarer N?he des Apsidenbaus gefunden wurden (Abb. 6).
 

Die Kl?rung der genauen Funktion und Zeitstellung dieser beiden Gro?bauten ist ein Schwerpunkt der aktuellen Feldforschungen, mit dem Ziel, in vergleichender Perspektive auch die Funktion und Entwicklung der st?dtischen Siedlung von Neuenstadt pr?ziser einordnen zu k?nnen: Wie steht es um die Gesamtstruktur und die tats?chliche Urbanit?t der für die Rhein- und Donauprovinzen au?ergew?hnlichen Planstadt bei Neuenstadt? Was war ihre Existenzgrundlage? Woher kam ihre Bev?lkerung, wie war deren wirtschaftlicher Hintergrund, und wie k?nnen wir uns die Interaktion mit den milit?rischen Strukturen im unmittelbaren Umfeld vorstellen?

An diese Fragen knüpfen übergeordnete Forschungsziele an: In einem weiteren geographischen und kulturgeschichtlichen Kontext wird zu diskutieren sein, inwiefern sich in Neuenstadt ein auch in anderen Provinzen erkennbares, sp?tes Stadtentwicklungsmodell niederschlug, oder ob bzw. inwiefern die stark vom Milit?r beeinflussten lokalspezifischen Strukturen den au?ergew?hnlichen Ausbau bestimmt haben, und welche Rolle der Tempelbezirk dabei spielte.
Für die Grabungskampagnen 2022 bis 2024 finden Sie die Vorberichte in den ?Arch?ologischen Ausgrabungen in Baden-Württemberg“, Jahrg?nge 2022(3.9 MB), 2023(1.2 MB, 6 Seiten) und 2024.

Die Ergebnisse der Grabungen 2022 bis 2024

Die drei Grabungskampagnen haben das Potenzial des au?ergew?hnlichen arch?ologischen Kulturdenkmals erhellt. Sie galten den beiden repr?sentativen Gro?bauten A und D2 an der h?chsten Stelle bzw. in mittlerer H?henlage am Hang oberhalb des Kochers. Die Mitarbeitenden aus Wissenschaft und Bodendenkmalpflege erhielten dabei von ehrenamtlich T?tigen Unterstützung, zugleich wurden die studentischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer in zwei sechsw?chigen Praktika in der Feldforschung ausgebildet.

Im Jahr 2024 endeten die im Rahmen des laufenden DFG-Projekts durchgeführten Ausgrabungen im Zentrum der r?mischen Stadt. Aufgrund der Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Arch?ologie in Württemberg und Hohenzollern und der Teilnahme von Ehrenamtlichen und Freiwilligen war es m?glich, die Ausgrabung jeweils kontinuierlich über mehrere Monate durchzuführen. Sie war zugleich Lehrgrabung der Bamberger Professur mit Studierenden aus unterschiedlichen Universit?ten. Dank weiterer geomagnetischer Messungen des Landesamtes für Denkmalpflege (N. Pickartz) und des Arbeitsbereichs Arch?ologische Prospektion der Universit?t Bamberg (W. de Neef) konnten die noch fehlenden Bereiche des mutma?lichen antiken Stadtgebiets nahezu komplett prospektiert werden. Damit existiert nun ein auf verschiedenen naturwissenschaftlichen Prospektionsmethoden beruhender Gesamtplan der Siedlung, der dank der Grabungen mit Details zur Architektur und Geschichte der beiden Gro?bauten A und D erg?nzt werden kann.

Geb?ude A

Die h?chste Position innerhalb der Stadtanlage nimmt das basilikale Geb?ude A ein (Abb. 5; 10-12). Die baulichen ?berreste dieser zweischiffigen basilica befinden sich bis zu 3 m tief unter der heutigen Gel?ndeoberfl?che, der r?mische Laufhorizont ist nicht erhalten. In nachantiker Zeit und bis in die Neuzeit wurde das Geb?ude ausgebrochen, sein Steinmaterial aus Mauern und B?den wiederverwendet oder zu Kalk gebrannt (Abb. 10). Im Rahmen der jüngsten Arbeiten konnten dennoch die Reste m?chtiger Mauern von bis zu 2 m Breite nachgewiesen werden, die Zeugnis von der einstigen Monumentalit?t des Geb?udes ablegen (Abb. 11). Die gro?en behauenen Sandsteinbruchstücke in der Wiedereinfüllung lassen auf eine mit Geb?ude D2 identische Konstruktion mit einem Fundamentsockel aus Sandsteinbl?cken schlie?en, der, nach den Kalksteinfragmenten im Schutt zu urteilen, die Basis für das aufgehende Mauerwerk aus Handquadern bzw. Bruchsteinen war. Dachziegelfragmente belegen ein Ziegeldach.

Im Süden verfügte das Geb?ude über bis zu 2,6 m weit vorspringende, kr?ftige Fundamentmauervorlagen, die der Stabilisierung der Südfassade des in Hanglage errichteten Geb?udes dienten.

Arch?ologisch datierbare Gegenst?nde aus den Bauschichten des Geb?udes fanden sich nicht. Von Bedeutung sind allerdings naturwissenschaftliche Ergebnisse an Holzkohlen und Tierknochen. Aus einer Fundamentrollierung in der Südwestecke stammen zwei Knochen, vermutlich Speisereste aus der Bauzeit, sowie eine Holzkohle aus einer Planierung. Zwei 14C(AMS)-Messkurven weisen die h?chsten Ausschl?ge im ersten Drittel des 3. Jahrhunderts auf und liefern m?glicherweise einen Anhaltspunkt für den Beginn der Bauaktivit?ten. Da aus historischen Erw?gungen die Stadtgründung bereits in der Zeit bald nach der Mitte des 2. Jahrhunderts erwogen werden muss, ist eventuell davon auszugehen, dass die Monumentalisierung mit repr?sentativen Gro?bauten sehr viel sp?ter erfolgte. Die Erw?hnung von Brandspuren und verbrannten Funden in der Dokumentation der 1920er-Jahre erlaubt es, die Aufgabe des Geb?udes im Zusammenhang mit einem Brandereignis zu diskutieren. 

Geb?ude D2

Das Geb?ude D2 (Abb. 7; 9; 13-19), ein ca. 50 x 50 m gro?er, allseitig um einen Hof oder vielleicht peristyl angeordneter Bau ?stlich der bereits vor Jahren angeschnittenen Thermen D1, ist wesentlich besser erhalten als Geb?ude A. Es entpuppte sich als ?berraschung, da hier stellenweise selbst die aufgehenden Mauern erhalten sind, au?erdem einfache Estrichb?den aus M?rtel, Ziegelgrus und Kiesel.

 

Befunde

Ein bedeutender Erkenntnisgewinn war der Nachweis zweier Portiken (Abb. 14): im Norden begrenzte ein S?ulengang das Geb?ude, eine weitere S?ulenstellung umfasste vermutlich die zentrale Innenfl?che.

Die n?rdliche porticus: Vor dem architektonisch hervorgehobenen Eingang des Geb?udes fanden sich Reste einer gro?en S?ulenbasis, die Basis einer kleineren S?ule stand noch in situ im Schutt auf dem seitlich anschlie?enden S?ulenunterbau (Abb. 16). Legt man den Berechnungen der S?ulenh?he die Idealproportionen Vitruvs zugrunde, dann lassen sich die kleineren S?ulen der Halle mit einer H?he von 4 bis 5 Metern, entsprechend 5,6 m mit Basis und Kapitell, rekonstruieren. Sie standen - vermutlich in einem Abstand von etwa 3 Metern zueinander - auf einem einstufigen, ebenerdigen stylobat aus Sandsteinbl?cken (Abb. 15). Der mittelachsige Eingangsbereich wurde von zwei dickeren und h?heren Sandsteins?ulen flankiert, auf denen wahrscheinlich ein dreieckiges Giebelfeld ein Propylon bekr?nte. 

Hinter diesem Torbau noch unbekannter Breite folgte eine gro?e Eingangshalle, deren W?nde einen Dekor mit geometrischer Wandmalerei trugen. Der Kalkm?rtelestrich in der Halle diente ursprünglich wohl als Unterlage für einen Belag aus Ziegel- oder Steinplatten, ggf. auch Holzdielen. Eine vom Hang kommende Wasserleitung führte unter dem Hallenfu?boden hindurch in den südlich anschlie?enden Innenhof/peristyl. Zwei R?ume auf der Ostseite der Eingangshalle verfügten über keine direkte Verbindung mit der Halle und waren wohl nur von Norden oder Süden betretbar. Der n?rdliche besa? einen festen Fu?boden aus einem Kalkm?rtelestrich mit Steinstückung, w?hrend der südliche lediglich Stampflehm aufwies, vermutlich als Unterlage für einen Laufboden aus Holz. Eine m?gliche Vorratsgrube k?nnte auf eine Funktion als Wirtschaftsraum hindeuten.

Die südliche porticus: Im Süden schloss sich der bereits erw?hnte Umgang eines mutma?lichen peristyls an, von dem nur der mehrphasige Unterbau aus Bruchsteinen erhalten war (Abb. 17). Die S?ulen oder Pfeiler dieses Hofes oder Gartens standen vermutlich ehemals auf Sandsteinbl?cken, und hatten etwas geringere Dimensionen als diejenigen an der Frontseite. Einzelne Partien des Unterbaus waren m?glicherweise als Nischen mit Basen für Inschriften und/oder Statuen gestaltet. Jedenfalls dürfte es kein Zufall sein, dass aus dem Schutt das nackte Bein oder der Arm einer unterlebensgro?en Sandsteinstatue geborgen werden konnte.

Thermen: Im Nordwestteil des Geb?udes wurde der Badetrakt in unerwartet guter Erhaltung angeschnitten: zwei halbrunde Apsiden für das über einem hypokaustum angelegte Warmwasserbecken und ein Kaltwasserbecken mit einer dreistufigen Treppe in der Beckenecke, zudem Ziegelb?den sowie ein Abflusskanal (Abb. 18-19). In seinem Vorraum und im Laubad, das als Durchgangsraum vom Kalt- zum Warmbad diente, lagen eine im Ganzen verstürzte, bemalte Wand- oder Deckendekoration sowie Estrichbodenbrocken. Wie ein Plissee haben sich die abgerutschten Teile des bemalten Verputzes zusammengefaltet. Als Haftgrund für den Putz wurden flache Dachziegel verwendet, die ihrerseits eine Art Zwischenlager zur Decke darzustellen scheinen.

2024 wurde der mehrere Dezimeter dicke Kalkm?rtelboden in den hypokaustierten R?umen stellenweise entfernt, um einen besseren Einblick in die Bauabfolge und Funktion der R?ume zu gewinnen. Die Hypokaustierungen geh?ren zu einem zweigeteilten Tepidarium, denen sich ein ebenfalls beheiztes Caldarium anschloss. Das Kaltbad lag im Norden. 

Da die verstürzten Geb?udew?nde über dem wiedereingefüllten Schutt des weitgehend ausgeraubten Hypokaustums lagen, ist davon auszugehen, dass zur Zeit der Plünderung der Hypokausten die Mauern des Geb?udes noch mehrere hoch Meter aufrecht standen (Abb. 21).

Im Schutt des Badetraktes fand sich auch das Fragment eines halbplastischen Steinreliefs, das vielleicht als G?ttin Fortuna im Bade (Fortuna balnearis) gedeutet werden darf, wie sie als eine Art Heilg?ttin in den Nordwestprovinzen recht h?ufig im Kontext von Thermen vorkommt (Abb. 20).

Die Bedeutung von Quellen und die Verfügbarkeit von Wasser spielten bereits bei den Ausgrabungen des Landesamts für Denkmalpflege (2003 bis 2013) im Tempelbezirk des Apollo Grannus eine Rolle. Der Bedarf an Trinkwasser für Mensch und Tier sowie von Brauchwasser für alle Arten h?uslicher und handwerklicher T?tigkeit, aber auch für die Thermen war ohne Zweifel betr?chtlich. Die Frage nach Quellen und Wasserzuleitungen in der Siedlung bildet daher einen unserer zentralen Untersuchungsgegenst?nde.

Baugeschichte

Sowohl bei der n?rdlichen porticus, als auch bei den tragenden Au?enw?nden bildeten gro?e Sandsteinbl?cke die Basis für das aus Handquadern bestehende aufgehende Mauerwerk. Die Bauweise mit einer Sockelzone aus Sandsteinquadern verbindet die Neuenst?dter Gro?bauten miteinander. Das gilt nicht nur für die Geb?ude A und D2 sondern auch für den Apollo Grannus-Tempel.

Geb?ude D2 besa? keinen Vorg?ngerbau, lediglich vorerst nicht n?her datierbare vorgeschichtliche Keramikgef??fragmente haben sich in den Planierschichten des Geb?udes gefunden. Die wenigen Fundmünzen von Kaiser Hadrian bis Elagabal ? gepr?gt zwischen 117 und 222 n. Chr. ? stammen s?mtlich aus der Benutzungszeit. Wie auch Geb?ude A k?nnte Geb?ude D2 nicht schon w?hrend der Initialphase der r?mischen Siedlung erbaut worden sein, denn auch hier weisen 14C(AMS)-Daten, ? abermals von zwei Tierknochen aus den Bauschichten ? weite Datierungsspannen zwischen der Mitte des 2. und der Mitte des 3. Jahrhunderts auf. Weitere Beprobungen sind geplant. Andere gut datierbare Fundgegenst?nde aus Bauschichten gibt es nicht. Der antike Baubefund zeigt allerdings an verschiedenen Stellen Hinweise auf eine Mehrphasigkeit: Neben dem Umgang des peristyls oder Hofs ist hier die porticus an der n?rdlichen Frontseite zu nennen, deren Sandsteinbl?cke auffallend ungleichf?rmig gearbeitet sind, was auf eine Zweitverwendung hinweisen k?nnte.

Am Ende des Geb?udes steht auch hier ein zumindest partielles Brandereignis, das aufgrund der daraus geborgenen Funde in das fortgeschrittene 3. Jahrhundert datiert werden kann.

Untersuchungen vor dem Eingang von Geb?ude D2

Das Fehlen von ?berresten einer Stra?e oder eines Platzes vor dem monumentalen Eingang des Geb?udes bleibt bislang ohne Erkl?rung. Da das antike Laufniveau vor St?rungen geschützt weit unter der heutigen Oberfl?che liegt, ist die Befundleere nicht auf nachtr?gliche Eingriffe zurückzuführen.

Die Tatsache, dass sich vom n?rdlich angrenzenden Hang Erdmassen bis zu 1,50 Meter hoch vor dem Geb?ude aufgestaut haben (Abb. 22), verhindert mit ziemlicher Sicherheit die Sichtbarkeit r?mischer Strukturen in Luftbildern und geophysikalischen Untersuchungen unmittelbar n?rdlich von Baukomplex D 1-2. Allerdings war es bislang nicht m?glich, die r?umliche Ausdehnung dieser Kolluvien sicher zu ermitteln. Daher wissen wir nicht, wie gro? dieser ?blinde Fleck“ tats?chlich ist. Die Gel?ndemorphologie macht es jedoch wahrscheinlich, dass auch in anderen Bereichen Kolluvien und Erosion Einfluss auf den prospektionsbasierten Plan der Gesamtsiedlung haben. Hier besteht ein gezielter Handlungsbedarf für künftige Untersuchungen.

Geophysik

Systematische geophysikalische Messungen in Kooperation mit dem Arbeitsbereich ?Arch?ologische Prospektion“ der Universit?t Bamberg und dem LAD (Dr. Wieke de Neef; Dr. Natalie Pickartz) auf über 25 ha Fl?che begleiteten seit Frühjahr 2023 die Ausgrabungen im Kernbereich der Siedlung (Abb. 23). Ziele dieser gro?fl?chigen Ma?nahmen sind die Identifizierung von Bebauungslinien zur Rekonstruktion von Stra?en und Pl?tzen, zudem erhoffen wir uns dadurch Antworten auf die Frage der Ausdehnung und Funktion der westlich, südlich und n?rdlich anschlie?enden Siedlungsareale.

Zudem konzentrierten sich die naturwissenschaftlichen Ma?nahmen auf die genauere Untersuchung einzelner positiver magnetischer Anomalien (Abb. 24). Um deren Tiefe und M?chtigkeit zu bestimmen, wurden entlang von Profilen im Abstand von 0,5 m Bohrungen bis zu 2 m Tiefe gesetzt. Das Sediment in den Bohrkernen von 2,2 cm Durchmesser wurde analysiert. Die Bohrl?cher selbst wurden genutzt, um die magnetische Suszeptibilit?t in den verschiedenen Tiefen zu messen. Die magnetische Suszeptibilit?t beschreibt, wie stark ein Material magnetisierbar ist. Damit lassen sich verschiedene Materialien voneinander unterscheiden. Die Messung zeigt zudem, in welcher Tiefe sich das jeweilige Material befindet und gibt einen Eindruck von der dreidimensionalen Verteilung. Damit ist die Methode eine hervorragende Erg?nzung zur magnetischen Prospektion.

Bei der ersten Anomalie im Messfeld fallen die h?chsten Messwerte (> 700*10-5 S.I.) r?umlich mit verziegeltem Lehm zusammen und stützen die Interpretation als Ofen noch unbekannter Funktion. Eine Holzkohleprobe wurde in den Zeitraum cal AD 84-214 (95% Wahrscheinlichkeit) bzw. cal AD 125-203 (68 %) datiert. Der mutma?liche Ofen geh?rt demnach sp?testens zur r?mischen Siedlung. Eine andere Anomalie war dagegen grubenartig. Sie wurde anhand der 14C(AMS)-Datierung der vorr?mischen Zeit zugewiesen. Sie zeigt, dass nicht alle prospektierten Anomalien grunds?tzlich mit der r?mischen Stadt in Verbindung gebracht werden k?nnen. Weitere Bohrungen und Suszeptibilit?tsmessungen sollten künftig durchgeführt werden, um die Anomalien im Umfeld der Steinbauten zu analysieren und damit die Ausdehnung der Stadt besser eingrenzen zu k?nnen.

Zusammenfassung

Die im Rahmen des Projekts durchgeführten Forschungen haben die Kenntnisse zu den bisher überwiegend aus Luftbildern und geophysikalischen Messungen bekanntenbaulichen Strukturen des r?mischen Neuenstadt wesentlich erweitert. Mit der Untersuchung der Gro?bauten A und D2 ist die Basis für ihre weitergehende Interpretation und übergreifende Fragestellungen geschaffen, wozu insbesondere auch die Frage nach der Aussagekraft der beiden Geb?ude für die Interpretation der Siedlung in der Sp?tphase r?mischer Pr?senz im Dekumatland geh?rt.

Seit dem Abschluss der Grabungen arbeitet das Team vor allem an der Auswertung der drei Grabungskampagnen und der Aufbereitung der Ergebnisse für die Publikation.

Abermals gilt unser Dank für Unterstützung und Mithilfe der Stadt Neuenstadt am Kocher und ihrer Einwohner, den Landeigentümern und P?chtern sowie den vielen tatkr?ftigen Grabungshelferinnen und -helfern, seien es freiwillig, ehrenamtlich bzw. im Praktikum Mitarbeitende oder Besch?ftigte von LAD Baden-Württemberg und Universit?t Bamberg.

Andrea Faber, Michaela Konrad, Klaus Kortüm, Wieke de Neef, Natalie Pickartz, Astrid Schm?lzer

Team der Universit?t Bamberg

Leitung: Prof. Dr. Michaela Konrad; Mitarbeit und Koordination: Dr. habil. Andrea Faber, Dr. Wieke de Neef, Dr. Astrid Schm?lzer, Fabien Griessel M.A.

Team des LAD

Leitung: Dr. Klaus Kortüm Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspr?sidium Stuttgart, Zentrale Dienste und Denkmalforschung, Esslingen; Mitarbeit und Grabungstechnik: Lari Kovacevic B.A.

Kooperationspartner

Gesellschaft für Arch?ologie in Württemberg und Hohenzollern e. V.
Universit?t Frankfurt, Institut für Arch?ologische Wissenschaften: Dr. Astrid Stobbe.

F?rderung

Deutsche Forschungsgemeinschaft, 球探足球比分 Sozialwissenschaften 1, Projektnummer 459770224.

Literatur

A. Faber/M. Konrad/A. Schm?lzer/K. Kortüm, Neues zur r?mischen Stadt bei Neuenstadt am Kocher, Arch. Ausgr. Baden-Württemberg 2022, 186–190.(3.9 MB)

A. Faber/M. Konrad/K. Kortüm/W. de Neef/N. Pickartz/A. Schm?lzer, Neuenstadt am Kocher: Forschungen im Zentrum des Hauptorts der civitas Aurelia G(---), Arch. Ausgr. Baden-Württemberg 2023,172-177.(1.2 MB, 6 Seiten)

A. Faber/M. Konrad/K. Kortüm/ N. Pickartz, Das r?mische Neuenstadt: Zwischenergebnisse und Fragen. Arch. Ausgr. Baden-Württemberg 2024, 217-222 (im Druck).

M. Konrad/K. Kortüm, Siedeln in dynamischen R?umen. Das r?mische Neuenstadt und die Grenzzone am Limes im Blick der aktuellen Forschung. Denkmalpflege in Baden-Württemberg 2022-4, 278–285.(2.3 MB)

K. Kortüm, Neuenstadt am Kocher – Geplante Zentralsiedlung des Neckarvorlandes? In: A. Heising (Hrsg.), Neue Forschungen zu zivilen Kleinsiedlungen (vici) in den r?mischen Nordwest-Provinzen. Akten der Tagung Lahr 21.–23.10.2010 (Bonn 2013) 151–166.

K. Kortüm, Topographie und Stadtentwicklung von Neuenstadt am Kocher. In: Landesmuseum Württemberg – Rheinisches Landesmuseum Trier (Hrsg.), Ein Traum von Rom. Stadtleben im r?mischen Deutschland. Katalog zur Ausstellung ?Ein Traum von Rom. R?misches Stadtleben in Südwestdeutschland“. Trier/Stuttgart 2014–2015 (Darmstadt 2014) 256–271.

K.Kortüm, Die civitas Aurelia G(---) – Eine gallor?mische Siedlergemeinschaft hinter dem Limes. In: J. Scheuerbrandt – A. W. Schmitt (Hrsg.), Gallia pacata. Caesars Krieg und die Romanisierung der Gallier. Exploratio – Schriften des Limesmuseum Osterburken I (Osterburken 2015) 64–89.